Zu den Kostensteigerungen einer geplanten Fehmarnbelt-Querung erklären Konstantin von Notz, Spitzenkandidat zur Bundestagswahl von Bündnis 90/Die Grünen in Schleswig-Holstein und Michael Cramer, grüner Verkehrsexperte im Europäischen Parlament:

Im Zuge des Baus einer festen Fehmarnbelt-Querung würde die größte Baustelle Nordeuropas entstehen. Hierzu Konstantin von Notz: „Ein Brückenprojekt solchen Ausmaßes in einer Region, die maßgeblich vom Tourismus lebt, gegen den Willen der örtlichen Bevölkerung zu realisieren, ist unverantwortlich.“ Neben der Frage, ob eine dringend benötigte zweite Fehmarnsund-Brücke gebaut werde, sei zudem auch die tatsächliche Trassenverlegung der Hinterlandanbindung nach wie vor absolut unklar.

Hierzu von Notz: „Die Finanzierung des gesamten Projektes steht weiterhin in den Sternen. Die schleswig-holsteinischen Kommunen entlang der Hinterlandanbindung werden in unverantwortlicher Weise vor die Wahl zwischen Pest und Cholera gestellt: Entweder kommt es zu keiner Trassenverlegung. Dann hätte die gesamte Tourismusregion mit ihren vielen Ostseebädern – statt 14 Güterzüge sollen nach dem Brückenbau 180 Güterzüge pro Tag am Timmendorfer Strand entlang rattern – mit einem massiv gesteigerten Zugaufkommen und entsprechendem Lärm zu rechnen. Oder, und diese Alternative erscheint keineswegs attraktiver, die weiter explodierenden Kosten einer veränderten Trasse müssten in einem erheblichen Maße durch die Kommunen selbst aufgebracht werden. Dies sieht das Schienenkreuzungsgesetz so vor. So oder so: Die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger werden für die Planungsunfähigkeit von Bundes- und Landesregierung als Leidtragende zur Kasse gebeten. Die Brückenbefürworter scheuen sich – offensichtlich aus gutem Grund – endlich nackte Zahlen auf den Tisch zu legen und den betroffenen Kommunen und ihren EinwohnerInnen reinen Wein einzuschenken. Hiermit wollen sie offensichtlich bis nach den Wahlen warten.“

Der Verkehrsexperte der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Michael Cramer, ergänzt: „Die geplante Fehmarnbeltbrücke ist ein Projekt des Kalten Krieges. Die Europäischen Verkehrsströme haben sich, zum Beispiel im Zuge der Osterweiterung der EU 2004, längst verlagert.“ Weiter gibt Cramer zu bedenken, dass auch die Finanzierung der Hinterlandanbindung durch die EU alles andere als in trockenen Tüchern sei. Cramer: „Deutschland hat eine völlig andere Hinterlandanbindung geplant, als die, die in der Förderzusage der EU beschrieben ist.“ So sähen die Planungen eine konventionelle, mittelfristig zudem nur eingleisig bleibende Eisenbahnstrecke bis Lübeck vor, das europäische TEN-Vorhaben Nr. 20 sei jedoch ausdrücklich als zweigleisige Hochgeschwindigkeitstrassen bis nach Bremen und Hannover ausgewiesen. Zudem würden die Europäischen TEN-Projekte gerade insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden. Hierzu Cramer: „Statt nationaler Prestige-Objekte soll es künftig stärker um das europäische Interesse gehen. Maßgebliches Kriterium der Überprüfung ist dabei das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Genau das ist jedoch bei der festen Fehmarnbelt-Querung mit gerade einmal 1 : 0,65 miserabel. Jeder eingesetzte Euro müsste mit 35 Cent durch den Steuerzahler subventioniert werden. Die Fehmarnbeltbrücke wird zu einem Milliardengrab. Unabhängig davon ist es ein reines Straßenprojekt, denn die Schiene wird offensichtlich nur als Alibi genutzt.“

Die erwarteten Verkehrszahlen und der verkehrspolitische Nutzen der Querung seien außerdem so gering, dass man andernorts nicht einmal eine Umgehungsstraße bauen würde. „Vor diesem Hintergrund erwarte ich, das die feste Fehmarnbeltbrücke – genauso wie der Transrapid Berlin-Hamburg oder der in München – allenfalls im Museum zu besichtigen sind. “, so Cramer.

Hintergrund:
Der Bundesrechnungshof gab in einer Stellungnahme zu Bedenken, dass sich die Kosten der deutschen Hinterlandanbindung auf mittlerweile 1,7 Milliarden Euro verdoppelt hätten. Insgesamt berge der Staatsvertrag erhebliche Risiken für künftige Bundeshaushalte. Mehrere Umweltverbände und Initiativen haben nach der Ratifizierung des Bauvorhabens im Deutschen Bundestag Klagen auf europäischer Ebene angekündigt und ihren Willen, notfalls den Klageweg bis zum Europäischen Gerichtshof einzuschlagen, bekundet.