Rede vom 22.04.2010 zu Protkoll „SWIFT-Abkommen“
Bereits kurz nach dem Anschlägen vom 11. September 2001 verlangten die USA von dem Monopolisten für die Abwicklung von internationalen Finanztransaktionen, dem Unternehmen SWIFT, die Kontobewegungsdaten von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern herauszu-geben – ein unmittelbares Ergebnis von Bushs damali-gem Krieg gegen Terror. Der CIA bekam die Daten, und alles blieb zunächst geheim. Eingeschlossen waren auch Überweisungen innerhalb der EU und Eilanweisungen innerhalb Deutschlands. Nur um die Dimension zu ver-deutlichen: Über SWIFT werden täglich im Durch-schnitt fast 15 Millionen Transaktionen und Transfers mit einem Volumen von etwa 4,8 Billionen Euro abgewi-ckelt. Das SWIFT-Netzwerk in Belgien bündelt Überwei-sungsdaten von 9 000 Banken aus über 200 Ländern.
Erst als dieser Vorgang 2006 herauskam und allen bewusst wurde, in welcher Dimension die Kontobewegungsdaten von 500 Millionen von Europäerinnen und Europäern über Jahre an die USA abgeflossen waren, begann eine öffentliche Diskussion. Und der Aufschrei war groß. Selbst die Kolleginnen und Kollegen der FDP erwachten damals aus einem bürgerrechtlichen Dornröschenschlaf – immerhin ging es ja um Bankdaten! Es waren insbesondere grüne Anträge, mit denen die Befassung in diesem Parlament vorangebracht wurde. Die Öffentlichkeit war sich weitgehend einig, dass die stattfindenden SWIFT-Datentransfers an die USA rechtswidrig waren und dass die Daten der Bürgerinnnen und Bürger vor dem Zugriff der US-Geheimdienste geschützt werden müssten, um die für den Umgang mit diesen Informationen notwendigen Grundrechtsstandards zu wahren. Zunächst verlor sich die Empörung der Bürgerinnen und Bürger angesichts des Wartens auf die Entscheidung der belgischen Datenschutzbehörde. Die EU-Innenminister, darunter der damalige deutsche Innenminister Schäuble, ließen nicht locker. Sie wollten ein Abkommen mit den USA aushandeln, mit dem der Zugriff auf die Daten legalisiert werden könnte. Dabei wurden nicht einmal ansatzweise die erforderlichen Standards zum Schutz dieser hochsensiblen Bankdaten erreicht. Das Europäische Parlament verweigerte deshalb im März 2010 zu Recht am Ende seine Zustimmung. Es war eine Sternstunde des Europaparlaments und der Beginn eines neuen Selbstbewusstseins, das deutlich über den Fall SWIFT hinausstrahlt.
Interessant ist der Rückblick auf das damalige Verhalten der jetzigen Bundesregierung. In der Abstimmung am 28. November 2009 wurde sie ihrer Verantwortung nicht gerecht und enthielt sich bei der Abstimmung im EU-Ministerrat. Praktisch hat sie aber zugestimmt. Dies, obwohl es der FDP gelungen war, eine glasklare Formulierung in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Die FDP, allen voran die selbsternannte Freiheitsstatue Westerwelle, hatte jedoch nicht den Schneid, die Koalitionskarte zu ziehen. Bundesinnenminister de Maizière versemmelte seinen Einstand, zumindest für den Bereich der „öffentlichen Sicherheit“. Die selbsternannte Bürgerrechtspartei FDP war hier schon kurz nach dem Regierungsantritt bei ihrem ersten Belastungstest umgefallen. Die Justizministerin setzte sich nicht durch, ihr Parteivorsitzender schloss sich ihrer damals geäußerten Kritik an SWIFT nicht an. Trotz aller Bekenntnisse für mehr Datenschutz hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung die massive Kritik aus dem EU-Parlament, dem Bundesrat sowie von Datenschützern und Bürgerrechtsorganisationen in den Wind geschlagen. Wenn es Ihnen Ernst gewesen wäre mit mehr Datenschutz und Bürgerrechten, dann hätten Sie nicht unsinnigste Steuersenkungen durchgesetzt, sondern bei SWIFT die Koalitionskarte gezogen, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP. Dafür hat das Engagement aber nicht gereicht. Gut, dass die Bürgerrechte beim Europäischen Parlament so viel besser aufgehoben waren als bei der Bundesregierung.
Wir stehen jetzt vor der Aushandlung eines neuen Verhandlungsmandats. Die SPD hat sich in den vergangenen Jahren wahrlich nicht hervorgetan mit Vorstößen zum Schutz der Grundrechte im Feld der öffentlichen Sicherheit. Jetzt – wir haben lange auf so etwas von Ihnen gewartet – legen Sie einen Antrag vor, der grundsätzlich Lob verdient. Die dort aufgezählten Standards fassen den Stand der Datenschutzdiskussion gut zusammen. Wir stellen uns klar gegen jegliche Bestrebungen, die hohen Datenschutzstandards aufzuweichen oder zu schwächen. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass das kommende Mandat so bürgerrechtsfreundlich als irgend möglich ausgestaltet wird. Es besteht kein Zeitdruck, auch wenn einige darüber klagen, der Datenfluss an die USA sei gegenwärtig gestoppt. Das Bundeskriminalamt erklärte höchstselbst unlängst, es könne mit den Finanztransaktionsdaten nichts anfangen und halte deren Wert in der Terrorismusbekämpfung für nicht maßgeblich. Wir werden natürlich auch in diesem Verfahren sorgsam beobachten, ob in der Koalition weitere bürgerrechtliche Rollen rückwärts drohen oder sie gar Gefahr läuft, noch einmal umzukippen. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern und dem Schutz ihrer Daten und schuldig.
Im Folgenden finden Sie die Protokollrede: