Hier beantworte ich 13 häufigsten Fragen, die mir im Zusammenhang mit der meiner Berufung in die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ gestellt wurden.

1. Was hat Sie dazu motiviert, sich in diese Enquête des Deutschen Bundestages berufen zu lassen und welche(s) Ihrer politischen Ziele wollen Sie dort verwirklichen?
Als netzpolitischer Sprecher meiner Fraktion bin ich für alle Fragen rund um die Themen Internet, Digitalisierung und Auswirkungen der Digitalen Revolution auf die Gesellschaft zuständig. Mein Ziel in der Enquête-Kommission ist es, an einer trag- und zukunftsfähigen Netzpolitik mitzuarbeiten, die die Interessen aller am Netz Beteiligten einbezieht, und an diesem Prozess möglichst viele zu beteiligen, die sich konstruktiv einbringen wollen.

2. Haben Sie sich bereits früher mit “Netzpolitik”, beispielsweise mit den Ergebnissen der Vorgänger- Enquête aus den Jahren 1995 – 1998 befasst und wie beurteilen Sie die Tatsache, das die damaligen Empfehlungen, beispielsweise für eine Reform des Bundesdatenschutzgesetzes (Gesamtreform, Datenschutzaudit etc.), in den federführenden Ausschüssen nie umgesetzt wurden?
In der Tat habe ich mich mit den Ergebnissen der Vorgänger-Enquête beschäftigt. Auch mir ist aufgefallen, dass kaum eine Empfehlung (bis auf wenige Ausnahmen), konkrete politische Schritte nach sich gezogen hat. Angesichts der drängenden Herausforderungen, vor die uns die digitale Gesellschaft stellt, ist es von großer Bedeutung, dass sich dies im Zuge der Arbeit der neuen Enquête-Kommission nicht wiederholt. Meine Fraktion und ich werden alles daran setzen, dass die Beschlüsse, Empfehlungen und Ideen der jetzigen Kommission konkrete politische Umsetzung finden.

3. Wie schätzen Sie Ihren politischen Einfluss ein, um eine Umsetzung Ihrer eventuellen Empfehlungen wenigstens mit dieser Enquête zu gewährleisten?
Die grüne Bundestagsfraktion hat der Netzpolitik einen erheblichen Stellenwert eingeräumt. Wir werden alle guten Beschlüsse, Anregungen und Ideen der Kommission mit Nachdruck politisch durchzusetzen suchen. Ob die Bereitschaft aller anderen Fraktionen ebenso ausgeprägt ist, wird sich zeigen.

Für weiteres Zaudern und Verharren sind die durch die Digitalisierung aufgeworfenen Fragen, zum Beispiel im Bereich des Urheberrechts, zu drängend. Deshalb hoffe ich, dass auch die Sachverständigen und die Öffentlichkeit in der Enquête mit darauf drängen werden, der Arbeit und den Ergebnissen der Kommission auch konkrete politische Schritte folgen zu lassen.

4. Haben Sie bereits an Demonstrationen für Bürgerrechte und gegen Internetzensur, wie beispielsweise an der “Freiheit statt Angst” gegen das “Zensursulagesetz” in Berlin, teilgenommen oder werden Sie künftig daran teilnehmen?
Ja, ich nehme seit vielen Jahren an Demonstrationen für Bürgerrechte teil und setze mich im Rahmen dieser Demonstrationen auch intensiv für die Rechte von Demonstrierenden ein, bspw. im Anwaltsnotdienst oder bei Demonstrationsbeobachtungen. Ich habe auch an der Demonstration „Freiheit statt Angst“ teilgenommen und werde dies auch zukünftig tun, sofern es zu einer Neuauflage kommt. Um u.a. diese Fragen zu besprechen, treffe ich mich auch mit dem Organisationsbündnis der Demo.

5. Wie beurteilen Sie “Sendezeiten” und “Labels” für das Internet, wie es der derzeit diskutierte Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) vorsieht?
Die für das Fernsehen erarbeiteten Konzepte 1:1 auf das Internet übertragen zu wollen, ist in meinen Augen eine absurde Idee. Die Petentin der Petition gegen das Zugangserschwerungsgesetz, Franziska Heine, hat es in der Sitzung des Petitionsausschusses auf den Punkt gebracht als sie auf die Frage nach dem Sinn solcher Sendezeiten schlicht antwortete, dass ihr nicht ganz klar sei, welche Welt-Zeit dann für diesbezügliche Regelungen im Netz gelten solle. Hierdurch wird deutlich: Die Übertragung von Sendezeiten auf das Netz ist schlichtweg nicht möglich. Auch die Labelung von Inhalten und die diesbezüglichen Auswirkungen, beispielsweise für Bloggerinnen und Blogger, sind kaum überschaubar. Angesichts des Jugendmedienschutzstaatsvertrags stellen sich momentan mehr Fragen als es bisher – halbwegs schlüssige – Antworten gibt.

6. Wie stehen und standen Sie zu “Zensursula” (dem so genannten Zugangserschwerungsgesetz) und würden Sie sich einer Verfassungsklage gegen dieses Gesetz anschließen?
Ich habe das Gesetz von vornherein abgelehnt. Dies aus vielen Gründen. So bin ich u.a. der Meinung, dass das Gesetz nicht nur vollkommen ineffektiv, sondern letztendlich sogar gefährlich für einen effektiven und ernstgemeinten Kampf gegen Kinderpornographie ist, erweckt es doch den Eindruck, man sei tätig, obwohl Inhalte – anstatt sie zu löschen – lediglich versteckt werden sollen. Das Gesetz ist in seiner Ausführung nicht nur technisch dilettantisch gemacht, sondern auch aus verfassungsrechtlicher Sicht höchst umstritten. Das nun von der schwarzgelben Koalition gewählte Verfahren, ein im Bundestag verabschiedetes und durch den Bundespräsidenten unterschriebenes Gesetz per Erlass teilauszusetzen, ist eine Farce. Der einzig juristisch saubere Weg wäre es, das alte Zugangserschwerungsgesetz zurückzunehmen. Dies haben meine Fraktion und ich – wie Ihnen sicher bekannt sein dürfte – vor wenigen Tagen in einem Antrag von der Bundesregierung gefordert.

7. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Ihre Partei in den Ländern, in denen sie jeweils (mit-) regiert, keinerlei sichtbare Initiativen ergreift, um diesen Staatsvertrag zu stoppen?
Dass wir keine Initiativen ergreifen, ist schlichtweg falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Wir positionieren uns als Grüne deutlich gegen den Staatsvertrag in seiner jetzigen Ausgestaltung. Dies derzeit allerdings eher „hinter den Kulissen“. Dies bringt, das haben die Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt, oftmals mehr, als – zugegebenermaßen öffentlichkeitswirksamere – Proteste in den Medien. Bitte bedenken Sie, dass die endgültige Entscheidung erst auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 25. März 2010 fällt. Bis dahin tun wir alles, um die Kernprobleme des vorliegenden Entwurfs aufzulösen.

8. Wie stehen Sie zum Abmahnungswesen im Internet und wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die Behandlung dieses Missstands entgegen dem Ursprungsentwurf aus dem Aufgabenbereich Ihrer Kommission herausgenommen wurde?
Das Abmahnungswesen ist in der Tat ein großes Problem. Wir Grünen waren es, die eine entsprechende Formulierung (neben Abmahnungswesen auch noch Bekämpfung von SPAM und Abofallen) in den Vertragstext aufnehmen wollten. Das Abmahnwesen in seiner jetzigen Form ist unverhältnismäßig und befördert in einer nicht hinnehmbaren Weise eine hochfragwürdige Abmahnindustrie. Letztendlich zeigt sich hier, wie dringend der Handlungsbedarf ist, zukunftsfähige Lösungen für das Urheberrecht in der digitalen Welt, zu finden.

9. Wie definieren Sie “Netzneutralität” und setzen Sie sich für eine solche ein?
Der politisch augenblicklich äußerst en vogue erscheinende Begriff der Netzneutralität wird nicht einheitlich verwendet. Wikipedia definiert „Netzneutralität“ bekanntlich ebenso einfach wie ungenau: „Netzneutralität ist eine Bezeichnung für die neutrale Datenübermittlung im Internet. Sie bedeutet, dass Zugangsanbieter (access provider) Datenpakete von und an ihre Kunden unabhängig davon, woher diese stammen oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben, unverändert und gleichberechtigt übertragen.“ Dieser Definition schließen wir uns weitestgehend an. Die Freiheit des Internets insgesamt, die Freiheit der Datenübermittlung im Besonderen, zu verteidigen, ist ein Kernanliegen der Grünen. Die Freiheit des Internets und die Netzneutralität zu bewahren ist wichtig, denn: Staatliche Institutionen und viele Unternehmen wollen – aus unterschiedlichsten Motiven – das Internet einschränken und ihm diese Freiheit nehmen. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen. So lehnen wir die Filterung von Dateninhalten, aber auch massenhafte und unbegründete Speicherorgien, wie die Vorratsdatenspeicherung, strikt ab. Nur wenn wir die Freiheit des Netzes verteidigen, wird es seine vielen großen gesellschaftlichen, aufklärerischen, demokratischen Potentiale weiterentwickeln können.

10. Hätten Sie im europäischen Parlament mit der dortigen Mehrheit gegen das so genannte SWIFT – Abkommen gestimmt?
Ja, selbstverständlich hätte ich das. Meine Fraktion war es, die eine „Aktuelle Stunde“ zu SWIFT im Bundestag beantragt hat. In meiner Rede habe ich unmissverständlich klargemacht, warum wir diesem Abkommen auf keinen Fall zustimmen durften. Dass die schwarzgelbe Bundesregierung, samt der „Bürgerrechtspartei FDP“, das Abkommen dennoch durchgewunken hat, ist ein Skandal. Nach der Entscheidung auf Bundesebene habe ich in enger Kooperation mit meinem Kollegen im Europäischen Parlament, Jan Philipp Albrecht, alles dafür gegeben, dass sich das EP, das in schäbiger Art und Weise seiner gerade durch den Vertrag von Lissabon gewonnenen Rechte beraubt werden sollte, behauptet. Dass wir hier – gegen wirklich massive Widerstände – einen ganz entscheidenden Etappensieg erringen konnten, freut mich nach wie vor sehr.

11. Sind Sie dafür, die so genannte “Vorratsdatenspeicherung” nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts schnell umzusetzen und wie beurteilen Sie die Kritik einiger Politiker und Polizeifunktionäre am Urteil des Bundesverfassungsgerichts?
An den Reaktionen führender Unionspolitiker zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts offenbart sich letztendlich, dass es der schwarzgelben Koalition an durchtragenden Konzepten für den Datenschutz fehlt. Mimte Innenminister de Maizière vor wenigen Tagen noch den Netzversteher, versucht er heute mit seinen Aussagen zur Notwendigkeit eines schnellen, neuen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung und zu angeblichen Sicherheitslücken in Deutschland sein Glück als Sicherheitspolitiker des alten Schlages. Dabei ist Eile hier völlig fehl am Platz. Das Argument, Deutschland würde nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Rückzugsort für Netzstraftaten, entbehrt jeder Grundlage – sind es doch in der EU sechs Länder, die die europäische Richtlinie bewusst nicht umgesetzt haben. Längst hat EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström angekündigt, die EU-Richtlinie grundlegend zu überprüfen. Man wolle sich in Ruhe ansehen, ob die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung effektiv, angemessen und mit der Grundrechtecharta der EU vereinbar sei. Anstatt übereilt ein neues, unausgegorenes Gesetz vorzulegen und den bisher verfolgten Weg gesetzgeberischer Schnellschüsse fortzusetzen, wäre die Bundesregierung gut beraten, zunächst die Entwicklungen auf europäischer Ebene abzuwarten. Die zunehmende Vielstimmigkeit von CDU/CSU und FDP im Bereich der Innenpolitik nimmt mehr und mehr die Hoffnung auf einen speziell für die Netzpolitik so wichtigen Neuanfang beim Datenschutz.

12. Das Thema Urheberrecht soll eine zentrale Rolle in Ihrer Kommission bekommen. Wie stehen Sie grundsätzlich zu “Open Access” und befürworten Sie staatliche Eingriffe in das Internet zur Durchsetzung von Interessen der Content- Industrie, wie es beispielsweise die Entwürfe des ACTA- Abkommens auf internationaler Ebene vorsehen?
Uns Grünen ist das Thema Urheberecht im Digitalen Zeitalter sehr wichtig. Ob das Thema auch wirklich eine zentrale Position in der Enquête einnehmen wird, kann man, auch vor dem Hintergrund der Verhandlungen über den Einsetzungsantrag, zumindest bezweifeln. Hier wird die Kommission zeigen müssen, wie ernst sie sich den Problemen tatsächlich stellen will.

Staatlichen Eingriffen in das Netz zur Durchsetzung von Interessen der Contentindustrie stehen meine Fraktion und ich skeptisch gegenüber. Wie oben bereits geschrieben, muss das Ziel politischen Handelns eine Überwindung des derzeit völlig unbefriedigenden Status Quo und ein fairer Interessenausgleich zwischen Urheberinnen und Urhebern und Nutzerinnen und Nutzern sein. Dementsprechend kann und darf es meines Erachtens nach nicht die Aufgabe der Politik sein, überholte Wirtschaftsmodelle durch protektionistische und strafrechtliche Maßnahmen zu bewahren. Dies nützt im Endeffekt keinem. Vor diesem Hintergrund lehne ich dementsprechende Eingriffe sowohl auf Bundes- als auch auf europäischer Ebene, wie das bisher im Geheimen und ohne Mitsprache des Europäischen Parlaments verhandelte ACTA-Abkommen, entschieden ab.

13. Wie wollen Sie dazu beitragen, dass die Arbeit der Enquête- Kommission transparent wird?
Erst einmal freuen wir uns als Grüne Fraktion, dass unsere Forderung nach einer starken Beteiligung der Öffentlichkeit an der Arbeit der Kommission von den anderen Fraktionen aufgegriffen wurde und eine dementsprechende Formulierung Eingang in den Einsetzungsantrag gefunden hat. Meine Fraktion und ich halten es für elementar, die Öffentlichkeit an der Arbeit der Enquête zu beteiligen. Das heißt für uns aber nicht nur, eine möglichst hohe Transparenz der Arbeit der Enquête-Kommission zu gewährleisten (das ist in unseren Augen eine Selbstverständlichkeit), sondern zudem möglichst weitgehende Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen. Hierzu haben wir ganz konkrete Vorschläge gemacht. So könnten in etwa die Konsultationsprozesse auf europäischer Ebene als Vorbild dienen.