Protkollrede vom 30.09.2010: „Bundesbesoldungsgesetz“

Die Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamtinnen und Beamten im Bund, sowie Soldatinnen und Soldaten in Anlehnung an den Tarifabschluss für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes war eigentlich beschlossene Sache. Das hatte der Bundesinnenminister den betroffenen Beamten nicht nur versprochen, sondern das ist gute Übung und ist auch rechtlich weitgehend so verankert. Die Bundesregierung ist dabei, dieses Versprechen nicht zu halten, und zwar unter bemerkenswerten, wenig schmeichelhaften Umständen. Grund dafür ist der Änderungsantrag der Regierungsfraktionen, mit der das Wiederaufleben der vollständigen Weihnachtsgeldzahlung nach einer fünfjährigen Aussetzung erneut bis 2015 gestoppt werden soll, sowie die Ausnahme der Versorgungsempfängerinnen und -empfänger von der Einmalzahlung für 2011.

Dazu – vermutlich unter Betonung der Verwerflichkeit dieses Verhaltens – werden heute eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen noch mehr sagen. Deswegen von mir dazu nur so viel: Es ist richtig, dass wir es hier mit einem offenkundigen politischen Wortbruch von Schwarz-Gelb zu tun haben, und es ist völlig zutreffend, wenn in diesem Zusammenhang von einem ernst zu nehmenden Vertrauensschaden der Bundesregierung bei den betroffenen Bundesbeamten und -beamtinnen gesprochen wird. Und dieser Vertrauensschaden darf auch nicht auf die leichte Schulter genommen werden; denn er wirkt sich im Beschäftigungsverhältnis oft ganz unmittelbar auf die Arbeitsmotivation und damit nicht unerheblich auch auf die Gesamtsituation der Bundesverwaltung aus, einer Bundesverwaltung, die unstreitig mit immer weniger Personal immer mehr Aufgaben bewältigen muss.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, mit bloßem Sparen um des Sparens willen, ohne das erforderliche Augenmaß, ist niemandem geholfen. Damit man mich nicht falsch versteht: Verfassungswidriges Verhalten wird man Ihnen nicht vorwerfen können, und ich verwehre mich in der Sache auch nicht grundsätzlich dagegen, dass man über Modifizierungen oder auch Kürzungen bei der Beamtenbesoldung und -versorgung nachdenkt. Kopfschütteln aber verdient, dass Sie sich nicht einmal gezwungen sehen, den Wortbruch, das heißt die weitere, hälftige Aussetzung der Sonderzahlung, näher als mit der dürren und nichtssagenden Erklärung, eben „Geld sparen zu müssen“, zu begründen.

Ein wenig Nachdenken sollte Sie jedoch dazu führen, dass, wenn man an dieser Stelle den Haushalt entlasten will, behutsam und sozial verträglich vorgegangen werden muss. Darum plädiere ich im Hinblick auf die Sonderzahlung für einen degressiven Ansatz, der die Bediensteten der unteren und mittleren Besoldungsgruppen die weitere Aussetzung deutlich weniger spüren lässt und den höheren noch ein Plus, wenn auch ein sehr geringes, bringen würde. In einer solchen Verfahrensweise wurde ich bei der Anhörung am Montag im Grundsatz vom Sachverständigen Bäumer bestätigt, gewiss immer unter der Voraussetzung, dass das Sparen an dieser Stelle hinreichend und schlüssig begründet wird. Meine Ausführungen gelten im Übrigen analog für die Nichtberücksichtigung der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger bei der Einmalzahlung 2011.

Gleichwohl, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist es vernünftig, die Kritik insbesondere dann nicht zu überziehen, wenn man selbst, wie Sie als Mitglied in der schwarz-roten Vorgängerregierung, inhaltlich genau dieses Vorgehen politisch mitgetragen hat, nämlich das fortgesetzte planlose Ad-hoc-Herumsparen bei den Beamtinnen und Beamten nach aktueller Kassenlage. Niemand bestreitet, dass die massive Finanzkrise den Bundeshaushalt zusätzlich belastet. Angesichts eines Finanzierungsdefizits von 33 Milliarden Euro aber stellt sich die Frage, ob ausgerechnet ein schon geschnürtes Paket geöffnet werden musste, mit dem bereits dargelegten Flurschaden für die zunehmend knappe Ressource Vertrauen sowie angesichts einer Einsparsumme von 500 Millionen Euro, die im Hinblick auf die Gesamtdefizitsumme bedauerlicherweise lediglich einen Tropfen auf den heißen Stein darstellt.

Dabei weist der vorgelegte Entwurf des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes zumindest einen Gesichtspunkt auf, den wir unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten durchaus begrüßen und der zumindest dem Ansatz nach ein Konzept erkennen lässt: Die Wiederaufnahme der Versorgungsrücklage stellt immerhin einen, wenn auch allein nicht ausreichenden Beitrag zu einer nachhaltigen, der demografischen Herausforderung der kommenden Jahre gerecht werdenden und damit generationengerechten Neustrukturierung zumindest der Versorgungsbezüge dar.

Wie aber kann die Altersversorgung auch für zukünftige Generationen gesichert werden? Das ist eine der zentralen, wenn nicht die alles entscheidende Frage, der wir uns auch und gerade mit Blick auf die Beamtenversorgung stellen müssen. Auf Bundesebene sieht es hier dank der vor nunmehr gut zwölf Jahren getroffenen Grundentscheidung, eine Versorgungsrücklage zu bilden, vergleichsweise gut aus, auch wenn hier womöglich, worauf der Sachverständige Bäumer hingewiesen hat, aufgrund zu positiver Zahlen in den Versorgungsberichten der Bundesregierung falsch kalkuliert wurde.

In vielen Bundesländern sieht es dagegen düster aus. Beispiele: Schleswig-Holstein: Kosten für Versorgung 2010 circa 900 Millionen Euro, 2020 circa 1,3 Milliarden Euro; Thüringen: 2009 circa 50 Millionen Euro, Verdopplung bis 2013. Wissenschaftlichen Prognosen nach zu urteilen, wird die Zahl der Versorgungsempfängerinnen und -empfänger in den Ländern und Gemeinden im Jahre 2020 auf über 1 Million wachsen, Tendenz für die folgenden Jahrzehnte weiter steigend.

Angesichts der Größenordnung dieser politischen Herausforderung drängt sich der Widerspruch zur kleinmütigen Werkelei an den Beamtenbezügen und Beamtenpensionen, wie sie auch heute mit dem Beamtenbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz von dieser Regierung dokumentiert wird, geradezu auf. Es kann dem Bund nicht egal sein, wenn sich die Schere zwischen den Beamtenversorgungen der Länder und des Bundes weiter öffnet und die sich abzeichnenden Finanzierungslücken bedrohliche Ausmaße annehmen.

Ähnliches gilt für die zukunftsgerechte Strukturierung der Dienstbezüge. Gerade weil wir auch hier alle in der Pflicht sind, angemessene dienstrechtliche Konzepte vorzulegen, sei es auf Bundes- oder Landesebene, ist es unerlässlich, ernsthaft und auch ergebnisoffen darüber zu diskutieren, wie die Zukunft des öffentlichen Dienstes insgesamt aussehen soll. Dabei stellt sich die Frage: Wie kann die gegenwärtig hohe Qualität bei der Aufgabenerfüllung aufrechterhalten, wie können die Attraktivität der Tätigkeiten als auch die Motivation sowohl für die Anwärterinnen und Anwärter als auch für die gegenwärtige Beamtenschaft gesteigert werden – auch und gerade angesichts eines verschärften Wettbewerbes um qualifizierte Beschäftigte auf dem Arbeitsmarkt?

Es stellt sich aber vor allem auch die Frage: Wie kann die Vergütung einer Tätigkeit im Dienste der Öffentlichkeit, für den Staat, auf lange Sicht generationengerecht finanziert werden? Zahlreiche Beiträge zur Reformdebatte liegen auf dem Tisch; zusätzlich müssen neue Ansätze diskutiert werden.
Meine Damen und Herren der Koalition, die gegenwärtige Konzeptionslosigkeit der Regierung erscheint angesichts der geschilderten Herausforderungen besorgniserregend. Auch aus diesem Grunde, nicht nur weil ihre Anpassungen – außer dem gebotenen politischen Anstand gegenüber den Tarifpartnern und der Beachtung der sozialen Komponente – auch den notwendigen politischen Weitwinkel vermissen lassen, stimmen wir Ihrem Gesetzentwurf in der vorgelegten Fassung nicht zu.