Protokollrede vom 30.09.2010: „Umsetzung der E-Geld-Richtlinie“

Nach Ansicht der Kommission gibt es bislang keinen funktionierenden Binnenmarkt bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit E-Geld in Europa. Aus diesem Grund hat die Kommission beschlossen, die diesbezügliche Richtlinie aus dem Jahr 2000 aufzuheben und diese durch eine neue, zweite Richtlinie zu ersetzen. Mit ihrer Hilfe sollen bestehende Marktzutrittsbeschränkungen beseitigt, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Zahlungsdienstleister erreicht und ein einheitlicher aufsichtsrechtlicher Rahmen für E-Geld-Institute geschaffen werden.

Der uns heute zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung ist nach eigenen Aussagen eine 1:1-Umsetzung der Vorgaben der europäischen Ebene, die meine Fraktion grundsätzlich begrüßt. Dennoch haben wir gewisse Bedenken, die ich ihnen im Folgenden darstellen will.

Bezüglich der Schaffung eines einheitlichen und vor allem effizienten aufsichtsrechtlichen Rahmens für E-Geld-Institute ist meine Fraktion, gerade vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung selbst davon ausgeht, dass es im Zuge der gewährten Erleichterungen bei der Neugründung von E-Geld-Instituten auch tatsächlich zu etlichen Neugründungen kommen wird, wodurch der Arbeitsaufwand für die Kontrollbehörden in Zukunft massiv steigen wird, skeptisch. Ein solcher effizienter aufsichtsrechtlicher Rahmen für E-Geld-Institute muss jedoch im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der heutigen, aber gerade auch der zukünftigen Bedeutung von E-Geld-Instituten unbedingt konsequent durchgesetzt werden. Aus den datenschutzrechtlichen Mankos derzeit bestehender Zahlsysteme, die oftmals höchst problematische AGBs aufweisen, in denen unter anderem die Weitergabe von persönlichen Informationen an dritte Stellen vorbehalten wird, sollten wir lernen.

Gleichzeitig bietet die erleichterte Gründung europäischer E-Geld-Institute die Chance, den derzeit zu beobachtenden Zustand, dass Anbieter von E-Geld-Instituten oftmals in den USA ansässig sind und nur allzu gerne auf die dortigen, laschen Datenschutzbestimmungen verweisen, die US-Behörden weitreichende Zugriffsbefugnisse auf gespeicherte Datenbestände genehmigen, abzumildern und europäische, sich hoffentlich dann höheren Datenschutzstandards verpflichtet fühlende Institute bei ihrem Aufbau zu unterstützen. Insbesondere im hochsensiblen Bereich des elektronischen Zahlungsverkehrs muss zukünftig sichergestellt sein, dass datenschutzrechtlich höchsten Anforderungen Genüge getan wird. Das Vorhaben der Bundesregierung, angesichts der heutigen, aber gerade auch der zukünftigen Bedeutung von E-Geld-Instituten und den ihnen eigenen spezifischen Anforderungen hier einen eigenen Institutstypus zu schaffen, ist daher richtig.

Mindestens genauso wichtig ist jedoch die Aufsicht über die Institute. Nicht ganz zu Unrecht geht die Bundesregierung in dem nun von ihr vorgelegtem Gesetzentwurf davon aus, dass es für die Aufsichtsbehörde bereits auf kurze Sicht zu einer Mehrbelastung komme, vor allem was den Anwendungsbereich des neuen Gesetzes für Unternehmen, von denen zu vermuten sei, dass sie die Grenze der sachlichen Bereichsausnahmen auszureizen suchen oder gar mit dem Gedanken spielen, diese zu überschreiten, angehe. Meine Fraktion hofft, die Bundesregierung war sich hier bewusst, welcher Arbeitsaufwand hier zukünftig auf die Kontrollbehörde zukommt.

Zwar ist es richtig, einheitliche Regelungen für die Gründung von E-Geld-Instituten zu definieren. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass es durch eine allzu willfährige Ausgestaltung des Aufsichtsregimes zu für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht hinnehmbaren Risiken kommt und dem mit dem Geschäftsmodell E-Geld verbundenen, spezifischen Risiken, vor allem im Bereich des Datenschutzes und des Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, nicht in adäquater Art und Weise Rechnung getragen wird. Die neuen, in vielerlei Hinsicht erleichterten Bestimmungen für die Gründung von E-Kreditinstituten und eine damit einhergehende anzunehmende Neugründungswelle, die zweifellos für die europäischen Binnenwirtschaft von Nutzen sein könnte, dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass es durch eine zu hohe Arbeitsbelastung für die Aufsichtsbehörden zu einer qualitativen Absenkung der aufsichtsrechtlichen Kontrollen kommt.

Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt ansprechen: Das in der nun vorgelegten Richtlinie der EU erwähnte „E-Geld“ tritt heute vor allem in zwei Formen auf. Erstens als ein auf einer Bankkarte mithilfe eines Chips gespeicherter Betrag zur Begleichung von Kleinbeträgen. Diese Funktion findet sich heute auf praktisch jeder Geldkarte, zweitens im Verkehr über die eben bereits beschriebenen E-Geld-Institute. Laut Richtliniendefinition ist es deren Aufgabe als Zahlungsdienstleister geldwerte Einheiten gegen Vorauszahlung bereitzustellen, welche dann später wiederum für Zahlungen verwendet werden können, weil sie von Dritten akzeptiert werden. Statt einer direkten Überweisung von einem Kunden zu einem Händler geschieht die Transaktion also zwischen „Plattform-Händlern“. Da dies für Kunden zweifellos viele Vorteile bietet, zum Beispiel den, dass ein grenzüberschreitender Handel erleichtert wird, ist diese Form der Bezahlung bereits heute weit verbreitet.

Im Grunde genommen handelt es sich hier um nichts anderes als um ein auf Vertrauen basierendes Gutscheinsystem für die digitale Welt. Die Zusicherung des Vertrauens wiederum – sowohl das zwischen den einzelnen Plattformen untereinander, als auch das zwischen Verbraucher und Plattform – wird durch Verträge zugesichert. Ein solcher Vertragsabschluss kann, muss aber nicht rechtlich unausweichlich sein.

Während wir bei der Bezahlung mit Geld, aber eben auch mit E-Geld in der realen Welt durchaus anonym bezahlen können, ist dies bislang beim Bezahlen im Netz nicht möglich. Warum eigentlich nicht?

Meines Erachtens nach müssen wir auch verstärkt darüber nachdenken, wie wir im Netz überall dort, wo es nicht zwingend erforderlich ist, den jeweiligen Vertragspartner zu identifizieren, Angebote schaffen, um zukünftig auch ein anonymisiertes Bezahlen im Netz zu ermöglichen. Im Übrigen fordert uns die derzeit bestehende Gesetzeslage ausdrücklich auf, beispielsweise durch eine Rechtspflicht zur Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung bei der Ausgestaltung von Verfahren wie sie im § 3 a des Bundesdatenschutzgesetzes vorgesehen ist.
Es ist daher nur folgerichtig, auch im Bereich des E-Geldes im Sinne einer erhöhten Datensparsamkeit und der Ermöglichung des Selbstdatenschutzes durch die Verbraucherinnen und Verbraucher gezielt Techniken der Anonymisierung zu fördern. So würde es uns eventuell auch gelingen, den im ersten Teil meiner Rede zur Sprache gebrachten Aufwand für die Kontrollbehörden zu senken.