Anlässlich des heutigen Europäischen Datenschutztages erklären Dr. Konstantin von Notz, Sprecher für Innen- und Netzpolitik, und Jan Philip Albrecht, Innen- und Rechtsexperte im Europäischen Parlament:

In diesem Jahr steht die umfassende Erneuerung der Datenschutzrichtlinie von 1995 ganz oben auf der Agenda der Europäischen Union. Dieser Prozess wird zu einem Großteil über die Zukunft des Schutzes unserer Privatsphäre entscheiden. Die Ausgangslage ist vielversprechend. Nicht zuletzt geht der heutige gute Schutzstandard auf ein massives Engagement Deutschlands bei den damaligen Verhandlungen in Brüssel zurück. Die Datenverarbeitung in Drittstaaten wie den USA muss allerdings besonders beachtet werden, weil hier weiterhin eine Schutzlücke besteht. Parallel wird in Brüssel die Vorratsdatenspeicherung, die in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde, evaluiert. Bislang konnten weder die Kommission noch die Mitgliedsstaaten der EU solide Daten vorlegen, die nachweisen, dass ein solch flächendeckender Grundrechtseingriff absolut notwendig ist. Wir fordern daher ihre Abschaffung europaweit.

Obwohl von Seiten verschiedener Ministerinnen und Minister immer wieder vollmundige Versprechen gemacht wurden, die Bürgerinnen und Bürger effektiv zu schützen, zeigt die Bundesregierung bislang ein bemerkenswertes Desinteresse an den so wichtigen europäischen Datenschutzvorhaben. Die Chance, während der Revision der Richtlinie erneut eine Führungsrolle einzunehmen und sich auch auf europäischer Ebene für einen effektiven Schutz der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen, hat die Bundesregierung bisher sehenden Auges verstreichen lassen. Dieses Verhalten steht im Widerspruch zum erklärten Ziel der Bundesregierung, das Bundesdatenschutzgesetz reformieren zu wollen. Dies kann nur im Einklang mit der europäischen Entwicklung erfolgen.

Statt weiterhin hochproblematische Datensammlungen wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Beschäftigtendatensammlung ELENA zu verfolgen, sollte sich die Bundesregierung das Ziel setzen, während der anstehenden Verhandlungen auf europäischer Ebene erneut eine Führungsrolle einzunehmen und konkrete Ziele der Revision zu formulieren. Solche könnten die Verstetigung des Reformprozesses, die Realisierung moderner Datenschutz-Instrumente wie des „Privacy by Design“-Ansatzes und die Implementierung von Datenschutzgütesiegeln sein. Darüber hinaus sollte eine Überprüfung der grundlegenden Prinzipien im Hinblick auf die derzeitigen datenschutzrechtlichen Herausforderungen sowie die Verbesserung der Aufsicht und der individuellen Gestaltungsrechte auf der datenschutzrechtlichen Agenda der Bundesregierung stehen.

Wir fordern die Bundesregierung noch einmal mit Nachdruck auf, sich den datenschutzrechtlichen Herausforderungen, auf deutscher wie auf europäischer Ebene, endlich zu stellen. Die Zeiten der datenschutzrechtlichen Sonntagsreden sind vorbei. Die Revision der europäischen Datenschutzrichtlinie eröffnet der Bundesregierung die Chance zu beweisen, wie ernst es ihr tatsächlich ist, die Bürgerinnen und Bürger vor einem Ausverkauf ihrer Daten zu schützen.