Im der vorlesungsfreien Zeit im Frühjahr 2012 leistete Gerwin Schroer, Student der Rechtswisschenschaften in Bayreuth, ein Praktikum bei mir im Bundestag.

Nachfolgend sein Praktikumsbericht

In der vorlesungsfreien Zeit im Frühjahr 2012 absolvierte ich ein Praktikum im Bundestagsbüro von Dr. Konstantin von Notz (während des Semesters studiere ich Jura an der Universität Bayreuth). Mit diesem Bericht möchte meine Zeit in Berlin reflektieren sowie von einigen interessanten Ereignissen berichten.

Der Deutsche Bundestag – Schau- und Entscheidungsplatz unserer parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik. Mein Interesse am politischen Alltag und an der Entstehung und Wechselwirkung von Interessen, Mehrheiten, Initiativen und Gesetzen führte mich nun in die Hauptstadt, um für eine Zeit lang „hautnah“ die Arbeit eines Mitglieds des Deutschen Bundestages zu begleiten.

Hatte ich mich schon längere Zeit im Voraus für dieses Praktikum beworben, wurde mir erst bei meinem Eintreffen in Berlin im Februar bewusst, welch‘ aufregende Zeit auf mich warten sollte. Für den Monat März standen vier volle Sitzungswochen auf dem Fahrplan, die „Causa Wulff“ gipfelte im Rücktritt des damaligen Bundespräsidenten und somit in der notwendigen Neuwahl des Staatsoberhauptes, die ACTA-Debatte war bundesweit entbrannt und vielerorts wurde über mangelnde Bürgerbeteiligung, Hinterzimmerpolitik auf Bundes- und EU-Ebene, fehlende Transparenz und über einen altbackenen, nicht zeitgemäßen Politikstil debattiert. Zusätzlich wirbelte der weitere Erfolg der Piraten, diesmal bei der Landtagswahl im Saarland, die etablierte Parteienlandschaft (weiter) durcheinander.

Wäre mein Praktikumsbüro nun schwerpunktmäßig mit Themen wie Agrar-, Pflege- oder Drogenpolitik befasst, wäre mein Aufenthalt mit Sicherheit nicht weniger interessant, aber vielleicht ein wenig ruhiger gestaltet gewesen. Da aber Konstantin als innenpolitischer Sprecher sowie als Sprecher für Netzpolitik der grünen Fraktion an derzeit „heißen Eisen“ wie der Debatte um die Neugestaltung des Urheberrechts, der politischen Auseinandersetzung mit ACTA, der EU-Datenschutzreform sowie der Vorratsdatenspeicherung mitarbeitet und seit einigen Jahren schon für mehr Transparenz und Stärkung der Bürgerrechte eintritt, war es, schlicht ausgedrückt, nie langweilig mit Konstantin und seinem Berliner Team vor Ort.

Nun, das Praktikantendasein bei der grünen Bundestagsfraktion umfasst im Großen und Ganzen die klassische Palette: Kaffeekochen, Abwaschen und Müll rausbringen. Einer muss den Laden ja am Laufen halten. Da fügt man sich gerne.

Natürlich nicht. Ich habe Konstantin regelmäßig zu Sitzungen und Fachgesprächen begleitet, desweiteren an den Arbeitskreisbesprechungen des AK III (Demokratie, Recht und Gesellschaftspolitik) teilgenommen sowie im Plenum die Debatten des Bundestages verfolgt, insbesondere natürlich Konstantins Beiträge und Anträge der grünen Bundestagsfraktion.

Konstantins Reden in Plenum sowie die Themen unseres Büros im AK umfassten im Wesentlichen die Netzpolitik, den Datenschutz und Bürgerrechte und hatten ihre Bezugspunkte zur ACTA-Protestbewegung, zu der EU-Datenschutzreform sowie zur Diskussion um ein Kassenschreibrecht auf der „eCard“ für Organspenden.

Ein Highlight erwartete mich direkt zu Beginn meines Praktikums. Just nach dem Rücktritt von Christian Wulff und der sich abzeichnenden Aufstellung von Joachim Gauck als überfraktioneller Kandidat für das Bundespräsidentenamt machte dieser eine Tour durch alle Fraktionen und stellte sich den Fragen der einzelnen ParlamentarierInnen. Ich durfte an der Fraktionssitzung von B‘90/Grüne Ende Februar teilnehmen und habe neben den anderen zu diskutierenden Themen (unter anderem das Ende Februar ergangene Urteil des BVerfG zum „Euro-Rettungsschirm“ und das Beteiligungsrecht des Bundestages bei Sondergremien) es als besonderen Moment empfunden, wie Joachim Gauck von der Fraktion als ihr „steter Kandidat“ empfangen wurde. Beeindruckend war zudem, wie Herr Gauck sich den durchaus kritischen Fragen der grünen MdBs stellte (z.B. die Äußerungen zu Thilo Sarrazin) und durchscheinen ließ, dass er auch als Bundespräsident in spe lernwillig und lernfähig sei.

Innerhalb des Büros habe ich an der allgemeinen Büroorganisation mitgewirkt, bei der Vorbereitung der Arbeits- und Sitzungsunterlagen geholfen sowie Recherchearbeiten für Konstantin und die MitarbeiterInnen erledigt. So konnte ich auch meine überschaubaren Kenntnisse im juristischen Fach einbringen und mich insbesondere den Themen Datenschutz, Informationsfreiheit und Urheberrecht auch von einer rechtlichen Perspektive nähern.

Gerne bin ich zu den Sitzungen des Innenausschusses mitgegangen, da dort, als wichtige überfraktionelle Arbeitsveranstaltung, die Weichen für das weitere parlamentarische Vorgehen gestellt werden und die Mitglieder mit Argumenten und guter Sacharbeit, teilweise aber auch mit „harten Bandagen“, die innenpolitische Linie ihrer jeweiligen Gruppe erkennen lassen. So sind neben den zuständigen Mitgliedern sämtlicher Bundestagsfraktionen häufig VertreterInnen der Ministerien sowie Sachverständige aus der Wissenschaft geladen, um eine möglichst breite Diskussion für die Innenpolitik zu ermöglichen. In guter Erinnerung geblieben ist mir die kontroverse Auseinandersetzung zur Vorratsdatenspeicherung und ein zu jener Zeit veröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Bundesjustizministeriums zu diesem Thema.

Auch die Taten der rechtsextremen Terrorzelle „NSU“ waren Thema im Ausschuss und für mich ein einschneidendes Erlebnis, da im Rahmen der Diskussion auch ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren thematisiert wurde. Dem Ernst dieser Diskussion Sorge tragend, wurde wirklich differenziert, mit teils anregenden, emotionalen Ansprachen und wiederum sehr sachlichen, rechtsstaatlich orientierten Argumenten um Positionen gerungen, ohne einen vermeintlichen „Fraktionszwang“ zu erkennen. Mich hat diese kollegiale Auseinandersetzung nachhaltig beeindruckt, war sie doch frei von unnötiger Polemik und Politikersprech und sehr daran orientiert, eine weite Sicht der Dinge zu ermöglichen und Argumente auszutauschen.

Zu dem Alltag eines Abgeordneten zählt sicherlich auch der Kontakt zur Wirtschaft. Über das Für und Wider des Lobbyings wird viel diskutiert, jedoch finde ich, solange Abendveranstaltungen einen überwiegend informativen Charakter behalten, sind diese für die Argumentation und Willensbildung ein hilfreiches Instrument. Ich habe Konstantin unter anderem zu einer Podiumsdiskussion einer großen deutschen „Denkfabrik“ begleitet, auf der es verschiedene Panels zum Thema „Urheberrecht und geistiges Eigentum“ gab. Die wirtschaftsnahe Durchsetzung der Teilnehmerschaft applaudierte natürlich häufig bei Meldungen von Politikern für eine wirtschaftsfreundliche Argumentation zum Thema Urheberrecht, so dass Konstantin den Diskurs auf der Veranstaltung erheblich antrieb, indem er, userfreundliche und zeitgemäße, nicht repressionslastig daherkommende Politik als Weg zur Gestaltung der Digitalisierung vorschlug.

Innerhalb der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ habe ich unter anderem einer Expertenanhörung zum Thema „Strukturwandel der politischen Kommunikation und Partizipation“ beigewohnt, welche aufzeigen sollte, wie sich durch das Internet die politische Kultur in Zukunft verändern könnte. Hierbei wurde mir als internet- und technikaffiner junger Mensch klar, dass leider immer noch viele Abgeordnete, selbst in der Enquete-Kommission, noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben und der Digitalisierung skeptisch gegenüberstehen bzw. „dieses Internet“ noch nicht als das erkennen, was es derzeit darstellt und wohin es die Gesellschaft führen kann. Doch gerade die Expertenanhörung ließ durchscheinen, dass sich Argumente und Denkmuster, auch in eher konservativen Kreisen, ändern könnten.

In der Funktion als Vorsitzender im Jahr 2012 des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit hat Konstantin im März der ständig tagenden Mitgliederrunde angehört. Ich habe im Büro bei der Organisation der Veranstaltung geholfen und am Tage der Versammlung bei der Durchführung mitgearbeitet. Die Runde, besetzt mit Leuten aus der Politik, Wirtschaft, der freien Wohlfahrt und der Bürgerschaft, diskutieren Szenarien und Perspektiven zum Katastrophenschutz und der öffentlichen Daseinsvorsorge und erstellen Handlungsempfehlungen. Auch eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Themenspektrum ist ein weiterer Schwerpunkt.

Neben der Arbeit im Deutschen Bundestag selbst bleibt für einen Praktikanten aber auch noch Zeit, dass politische Berlin in anderen Ausprägungen näher kennenzulernen (am Wochenende natürlich auch die kulturelle, unterhaltende Vielfalt). Ich habe mit anderen Praktikanten der grünen Fraktion z.B. das Bundesjustizministerium besucht und mir das ARD-Hauptstadtstudio angeschaut, um so auch einmal zum einen den Blick in ein Ministerium zu erhalten bzw. die journalistische Perspektive auf den Berliner Betrieb zu erfahren.

Zu guter Letzt möchte ich mich bei Konstantin, Bettina, Jörn, Nils, Sandra sowie Chris und Christine bedanken, die in dieser aufregenden und aufreibenden Zeit stets ein offenes Ohr für mich hatten und mir die Möglichkeit gegeben haben, bundesdeutsche Politik aus nächster Nähe zu erfahren. Ich kann jedem Interessierten nur empfehlen, die Chance für ein Praktikum im Deutschen Bundestag wahrzunehmen, es ist eine einmalige Erfahrung.

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