Die Beschneidung der Vorhaut, (medizinisch: Zirkumzision) bei männlichen Babys und Kleinkindern wird weltweit praktiziert. Man geht davon aus, dass 1/4 bis 1/3 aller Männer auf der Welt beschnitten sind. In keinem Land ist die Beschneidung bisher strafbar.

Die Gründe für eine Beschneidung der männlichen Vorhaut sind durchaus unterschiedlich: Während Juden und Muslime in der Beschneidung von Jungen ein religiöses Gebot sehen, lassen andere Eltern ihren männlichen Nachwuchs oftmals aus hygienischen, medizinischen und medizinisch präventiven Gründen beschneiden.

Das Urteil einer kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln im Mai hat jetzt der öffentlichen Diskussion um eine juristische Einordnung der religiös motivierten Beschneidung eine völlig neue Dimension gegeben.

Ich habe der Forderung an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist, zugestimmt.

Die Rechtsauffassung der kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts hat zu tiefgreifender Verunsicherung bei Ärzten und jüdischen und muslimischen Eltern geführt.

Obwohl in der Vergangenheit  in juristischen Fachkreisen über die rechtliche Einordnung der Beschneidung der Vorhaut bei Jungen ab und an diskutiert wurde,   wurde sie über sechzig Jahre straffrei millionenfach in Deutschland praktiziert. Die Straffreiheit dieser Praxis wird nun vor dem Hintergrund des Urteils intensiv diskutiert.

Bei der Beschneidung von Jungen handelt es sich um einen klassischen Grundrechtskonflikt, der im Wege der praktischen Konkordanz auszugleichen ist, wobei jede Grundrechtsposition optimal zu verwirklichen ist.

Eine Beschneidung ist tatbestandlich – wie jede Operation – eine Körperverletzung, die durch rechtswirksame Einwilligung gerechtfertigt werden kann und dann straffrei ist. Bei Minderjährigen handeln grundsätzlich die Eltern stellvertretend für das Kind und sind dabei an das Kindeswohl gebunden. Die Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und das Recht des Kindes als vollwertiges und gleichberechtigtes Mitglied einer Religionsgemeinschaft aufzuwachsen, sind jeweils Aspekte des Kindeswohls.

Die Zirkumzision ist ein irreversibler Eingriff allerdings mit niedriger Eingriffstiefe, soweit sie medizinisch fachgerecht durchgeführt wird. Sie wird wie gesagt zum Teil auch aufgrund von hygienischen und prophylaktischen Überlegungen durchgeführt.

In den abrahamitischen Religionen aber ist das Beschneidungsgebot das erste und zugleich die Begründung des Bundes mit Gott. Daher ist es für Juden zentral und für die meisten Muslime unverzichtbar.

Der Staat muss bei einer rechtlichen Regelung darauf achten, dass die Beschneidung medizinisch fachgerecht von qualifizierten Fachleuten durchgeführt wird. Auch hierdurch verwirklicht er das Kindeswohl und schützt die Gesundheit des Kindes aus Art. 2 GG. Im Falle einer Illegalisierung der Beschneidung käme es sicher häufiger zu nicht fachgerechten Eingriffen durch unqualifizierte Beschneider. Dies gilt es zu vermeiden.

Auch wenn eine rechtliche Regelung im oben genannten Sinne sicherlich auf verschiedene, nicht unkomplizierte Umsetzungsfragen treffen wird, war für meine Abstimmung entscheidend, dass in Deutschland jüdisches und muslimisches Leben möglich sein muss, denn Jüdischer Glaube, Islam und Christentum gehören zu Deutschland. Dies wollte ich mit meiner Abstimmung auch zum Ausdruck bringen.

Berlin, den 20. Juli 2012

Dr. Konstantin v. Notz