222. Sitzung, 21.02.2013, TOP 31:

Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine Damen und Herren,

eine Bundesregierung, die in diesen IT-revolutionären Zeiten so storchbeinig und langsam wie bei GovData voranschreitet, hat ein Problem. Zu Recht sind die Freundinnen und Freunde von Open Data sauer, dass die vormals als „opendata“ geplante Plattform nur „GovData“ heißt. Und verständlicherweise ärgern sie sich, dass die eingestellten Daten nicht beliebig verwendbar sein werden, weil kein allgemeines -Lizenzierungssystem geschaffen wurde. Meine These lautet, der Namenswechsel bei diesem wichtigen Open-Government-Projekt ist nicht zufällig, sondern klares Zeichen für die problematische Gesamthaltung der Bundesregierung in diesem Politikfeld. Sie markiert damit, insoweit durchaus offen, ihre Prioritäten. Ihr geht es eben um die schlichte Effektivierung von Abläufen, wo es uns um eine neue Verwaltungskultur und die Geltung der Grundrechte geht. Und deshalb liegt uns heute auch kein Entwurf für ein Open-Government-Gesetz vor, sondern eben nur ein E-Government-Gesetz.

Doch nirgendwo scheinen Anspruch, durchaus auch legitime Erwartungen der Akteure und die Wirklichkeit weiter auseinanderzulaufen als beim E-Government des Bundes. Viel Zeit ist verstrichen, doch die Bundesverwaltung scheint elektronisch weiter der Zeit hinterherzuhinken. Das ergibt selbst ein nur flüchtiger Vergleich mit anderen europäischen Staaten. Doch wollen wir es uns mit einer solch kri-tischen Einschätzung nicht zu leicht machen. Die Umstellung der Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen stellt ein -Riesenprojekt dar. Akzeptanzprobleme bei der Verwaltung, hierarchiegeprägte Selbstwahrnehmungen, wenig ressortübergreifendes Verständnis, mangelnde Übung und Bereitschaft zur Kooperation und viele andere Faktoren wirken zusammen.

Und natürlich hängt die zögerliche Entwicklung auch mit den Abstimmungserfordernissen der föderalen Struktur zusammen. Der Bundesrat hat deutlich kritisch Stellung bezogen. Schon die Anforderung einer Harmonisierung der E-Justice-Initiative des Bundesrates mit dem heute vorgelegten Entwurf dürfte erhebliche Probleme bereiten. Die Zukunft des uns heute vorgelegten Gesetzentwurfs kann deshalb als durchaus unsicher bezeichnet werden, sollte die Bundesregierung sich nicht noch ganz erheblich bewegen.

Um deshalb eines vorneweg klarzustellen: Über die Notwendigkeit der Transformation unserer Verwaltungen in das 21. Jahrhundert der Informations- und Kommunikationstechnologien kann es keinen Streit geben. Nur eine entsprechend modernisierte Bürokratie wird zukünftig genauso effektiv in der Lage sein, ihren gemeinwohlbezogenen Aufgaben nachzukommen. Doch sollte ebenfalls die Suggestion vermieden werden, die Technologie ziehe alles Wei-tere schon von selbst nach sich. Eine entsprechende digitale Verwaltungskultur benötigt weitere, oft zeit-aufwendige Schritte. Die betroffenen Beschäftigten müssen mitgenommen werden. Ein Beispiel hierfür stellen die Informationsfreiheitsgesetze dar, die weiterhin auf zum Teil erhebliche Widerstände aus den Verwaltungen selbst stoßen.
Aus grüner Sicht bedeutet E-Government nicht mehr und nicht weniger als eine mit technischen Mitteln unterstützte Weiterentwicklung des Staates und der Verwaltung hin zu mehr Offenheit und Transparenz, aber auch und zugleich hin zu mehr Datenschutz und Datensicherheit. Wir wollen Open Government, und zwar ohne die Schaffung neuer Hindernisse oder gar Nachteile.

Barrierefreiheit und das Multikanalprinzip zugunsten derjenigen, die nicht online gehen wollen oder können, sind deshalb für uns selbstverständlich. Doch es geht nicht nur um den Umgang mit Daten und Informationen. Die Informationstechnologie zeigt Möglichkeiten der Partizipation, der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern auf, mit denen nicht nur die Akzeptanz, sondern auch die inhaltliche Richtigkeit von Entscheidungsprozessen verbessert und tragfähig gemacht werden kann.

Und schließlich: Die Anforderungen an die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit der Verwaltung durch die Bürgerinnen und Bürger haben sich grundlegend verändert. Hier besteht eine Chance für die Verwaltung, ihr staubiges Image abzulegen und Bürgerfreundlichkeit lebendig werden zu lassen. Zu-gleich geht es um ernstzunehmende Verbesserungen, Einsparung von öffentlichen Geldern, aber auch von Lebenszeit – statt des Wartens auf Godot in grauen, verrauchten Amtsstuben die Hoffnung auf rasche Abwicklung über das Internet. Wer in der Wirtschaft wesentliche Abläufe, Vertragsabschlüsse und laufende Kommunikationen nahezu vollständig und abschließend online bewältigen kann, erwartet zu Recht vergleichbare Standards von seiner Verwaltung. Doch kostet das nicht nur viel Geld, sondern es müssen komplexe Rahmenbedingungen der bestehenden Verwaltung, nicht zuletzt der wichtige rechtsstaatliche Rahmen, entsprechend angepasst und umgestellt werden, und zwar so, dass die Modernisierung nicht auf Kosten und zulasten der Rechte der Bürgerinnen und Bürger geht.

Erlauben Sie mir, konkret zum vorgelegten Gesetzentwurf und aus der langen Reihe der damit auf-geworfenen Probleme einige für uns Grüne zentrale Probleme herauszugreifen. Im Kern geht es um gesetzliche Vorgaben zur Ermöglichung eines Zugangs zur öffentlichen Verwaltung. Ganz konkret sind nach dem Multikanalprinzip mehrere Zugänge gleichzeitig zu eröffnen, aber auch die Übermittlung von Dokumenten muss ermöglicht werden, De-Mail-Dienste sind anzubieten, und die Nutzung des neuen Personalausweises und seiner Funktionalitäten ist zu akzeptieren. Die Behörden haben über sich im Web zu informieren, die in Verwaltungsverfahren zu erbringenden Nachweise müssen auch elektronisch erbracht werden können, und für die Bundesverwaltung wird die elektronische Aktenführung dem Grundsatz nach zum Standard. All das ist zu begrüßen, bringt für die Bürgerinnen und Bürger Erleichterungen und bedeutet einen wichtigen ersten Schritt.

In seinem Anwendungsbereich eher weit gehalten, wird nicht nur die Bundesverwaltung erfasst, sondern werden auch Behörden der Länder erfasst, soweit diese Bundesrecht als eigene Angelegenheit oder im Auftrag des Bundes ausführen. Hier wird es schwierig: Es erscheint durchaus offen, in welchem Verhältnis kollidierende Länderbestimmungen, etwa das in Schleswig-Holstein bestehende E-Government-Gesetz, zum heute vorgelegten Entwurf stehen.

Wie bereits betont, teilen wir das Grundanliegen des Entwurfs. Wir respektieren und anerkennen die außerordentlich aufwendigen Vorarbeiten für dieses Großvorhaben. Im Gegensatz zur Bundesregierung bezweifeln wir allerdings, dass der Entwurf sich durch einen ganzheitlichen Ansatz auszeichnet. Vielmehr kommen zentrale Ziele des legislativen Umgangs mit E-Government, darunter der Datenschutz, aber auch Open Data, Open Source und Informationsfreiheit, im Gesetz selbst zu kurz. Hier wurde die Chance vertan, die engen -Verbindungen und Überschneidungen der Themen im E Government aufzuzeigen und mit einem integrativen Ansatz ein bürgerfreundliches Gesetz zu schreiben.

Stattdessen scheint die Bundesregierung peinlich genau den Eindruck vermeiden zu wollen, diese Themen hätten im engeren Sinne etwas miteinander zu tun. Das zeigt sich schon an den Überschriften. Da heißt es „Akteneinsicht“ statt „Informationsfreiheit“ oder „Bereitstellen von Daten“ statt „Open Data“. Und auch was sich dahinter jeweils verbirgt, ist nicht -akzeptabel. In der betreffenden Vorschrift zur Akteneinsicht werden ausschließlich die Wege der Einsichtsgewährung aufgezählt. Da aber im Informationsfreiheitsgesetz ein durchaus voraussetzungsloser Anspruch der Bürger statuiert wird, bei dem auch die Wahl der Art des Zugangs freigestellt wird, entsteht hier unnötige Unklarheit.

Noch misslicher erscheint die Fassung zum Bereitstellen von Daten in § 12 des Entwurfs: Einerseits wird die Maschinenlesbarkeit bei der Bereitstellung von Daten zum Grundsatz erhoben. Andererseits wird gleich eingeschränkt, dass es sich dabei nur um kommerziell interessante Daten handeln dürfe. Nicht geregelt wird, ob überhaupt und in welchem Umfang Daten in öffentlich zugänglichen Netzen zur Verfügung zu stellen sind. Überhaupt wird jede Konkretisierung auf den Verordnungsweg verwiesen – mit der Folge, dass hier die Chance zur Schaffung von einheitlichen Standards auch bei der wichtigen Frage der Lizenzierung verpasst wird.

Aus der Sicht des Datenschutzes ist die fehlende Integration von konkretisierenden Bestimmungen nicht nur misslich, sondern ein fachlicher Mangel des Gesetzes. Denn ohne einen hinreichend konkreten bereichsspezifisch ansetzenden Regelungsansatz entsteht allenfalls neue Rechtsunsicherheit, es werden aber nicht die aufgeworfenen Probleme gelöst. Eine der drängendsten Fragen dabei lautet etwa, wie es mit der Speicherung und dem elektronischen Austausch von datenschutzrechtlich besonders sensitiven Daten – zum Beispiel Steuer- und Gesundheitsdaten – steht. In keiner Weise wurde die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbe-sondere das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung und zum Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, reflektiert. Die dort gemachten Vorgaben besonders zur Datensicherheit betreffen eine in die rückkanalfähige Kom-munikation voll einsteigende Verwaltung in hohem Maße. Der bislang vorliegende Entwurf trifft jedoch keine differenzierenden Regelungen und ist insoweit unzureichend.

Schließlich erlauben Sie mir noch wenige Worte zu De-Mail und zum neuen Personalausweis. Wie Sie wissen, bin ich bei diesen IT-Großprojekten nach wie vor skeptisch, ob sie überhaupt jemals die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen werden. Und die bis-lang vorgelegten Zahlen und Entwicklungen stützen meine Bedenken. Viel zu wenige Bürgerinnen und Bürger nutzen die mit dem Personalausweis unnötigerweise verbundenen Funktionalitäten, weil es die Angebote schlicht nicht gibt. Ob die öffentliche Verwaltung es rausreißen kann – man wird sehen.

Bei der De-Mail aber ist die Zukunft noch unsicherer. Denn noch ist das Projekt immer noch nicht richtig losgegangen. Und trotzdem wird De-Mail in diesem Entwurf zum wichtigen Kanal des Zugangs zu Behörden gemacht. Sie steht damit gleichberechtigt neben der qualifizierten digitalen Signatur, obwohl sie keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bieten kann. Es kann aber keinen Zweifel geben, dass für bestimmte Verwaltungsverfahren genau dieser Sicherheitsstandard und kein anderer zu fordern ist – Stichwort wieder: sensitive Daten. Bedauerlicher-weise kann ich dem Gesetz keine hinreichende Aufmerksamkeit für diese Problematik entnehmen.
Lassen Sie es mich vorsichtig so zusammenfassen: Die IT-Strategie der Bundesregierung, insbesondere die Trias aus De-Mail, neuem Personalausweis und nun dem E-Government-Gesetz, soll aus Sicht der Bundesregierung mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger bringen. Doch kein einziges dieser Projekte ist je abgehoben; das ist schon ein wenig potemkinsch. Gleichzeitig verweigert sie weiterhin konsequent diese Sicherheit in Bezug auf den Datenschutz, aber auch im Hinblick auf Vertrauen durch Transparenz. Hier fehlt es ganz offenkundig an einem ganzheitlichen Ansatz, wie es aus der Sache heraus erforderlich wäre. Deshalb kann uns der heute vorgelegte Entwurf nicht überzeugen.

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Eine Bestandsaufnahme bei Bund, Ländern und -Gemeinden zeigt, dass derzeit ein Flickenteppich an E-Government-Angeboten entstanden ist, der hier und da exzellente Lösungen enthält, insgesamt aber zu wenig die Bedürfnisse der Bürger und Unternehmen nach verlässlichen Standards und auch das Bedürfnis der Verwaltung nach Interoperabilität berücksichtigt.
In einer Zeit und einer Gesellschaft, in der die Informationstechnologien zunehmend alle Lebensbereiche durchdringen, kann und darf die Verwaltung nicht länger außerhalb dieser Entwicklung stehen. Eine leistungsfähige Verwaltung ist auch eine Voraussetzung für die Sicherung des Wirtschaftstandorts Deutschland. Wir vergeben uns enorme Chancen, wenn wir jetzt nicht die Möglichkeiten der IT für die Verwaltung nutzen.

E-Government bedeutet dabei nicht nur die Abwesenheit von Papier, sondern bietet die Möglichkeit, Verwaltungsprozesse neu zu konzipieren und zu optimieren. Damit können erhebliche Ressourceneinsparungen verbunden sein.
E-Government ist ein Instrument, um die Verwaltung bürgerfreundlicher und gleichzeitig kostengünstiger zu machen. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten durch das E-Government-Gesetz einen besseren -Service. Damit werden durchgängig medienbruchfreie elektronische Verwaltungsverfahren orts- und zeitunabhängig angeboten. Auch die Wirtschaft und die -Verwaltung selbst werden von diesen Verfahren profitieren. Diesen Zielen ist das E-Government-Gesetz verpflichtet.

Mit dem E-Government-Gesetz stellen wir zusätz-liche sichere technische Verfahren bereit, um die handschriftliche Unterschrift zu ersetzen. Dadurch wird es möglich, fast alle Verwaltungsverfahren auch online abwickeln zu können. Die qualifizierte Signatur hat sich als zu kompliziert herausgestellt. Es wird durch das E-Government-Gesetz beispielsweise möglich, auf der Internetseite einer Verwaltung mit dem elektronischen Personalausweis Anträge zu stellen, und dies auch in den Fällen, in denen ein Gesetz Schriftform, das heißt eigentlich eine ei-genhändige Unterschrift vorsieht.

Weiterer Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist die Implementierung von sogenannten Motornormen, die ebenenübergreifend den Ausbau von E-Government-Lösungen fördern. Als Mindestanforderungen werden der elektronische Zugang zur Verwaltung, elektronisch abrufbare Behördeninformationen, elektronische Bezahlsysteme, elektronische Nachweise, die Nutzung elektronischer Formulare und elektronische Publikationen auf den Weg gebracht. Für die Bundesbehörden schreiben wir die elektronische Aktenführung und die Nutzung von elektronischer Identifikation und De-Mail fest.

Dem Gesetzentwurf ist eine intensive Abstimmung und Beratung mit Vertretern der Verbände, der Wirtschaft und der Länder vorangegangen, und das jetzt vorliegende Ergebnis wird nicht nur von allen Seiten mitgetragen, nein, es wird gefordert, dass das Gesetz jetzt zügig kommt.

Wir befinden uns auf der Zielgeraden dieser Legislaturperiode und haben jetzt die Chance, diesem für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft unseres Landes so wichtigen Vorhaben zur Geltung zu verhelfen.
Die bereits jetzt aufgewendeten IT-Ausgaben von Bund und Ländern können gebündelt, kanalisiert und Synergieeffekte besser genutzt werden.

Das E-Government-Gesetz stellt auch einen wichtigen Beitrag zur Demografiestrategie der Bundesregierung dar. Wir wissen, wenn wir mit einer schrumpfenden Bevölkerungsanzahl und älteren Bevölkerung unsere Wirtschaftskraft und unseren Wohlstand halten wollen, benötigen wir Innovationen. Das schließt auch Innovationen in der Verwaltung ein. Vom Fachkräftemangel wird zunehmend auch die Verwaltung betroffen sein. In ländlichen Regionen wird es immer schwieriger werden, die Präsenz der Verwaltung in der Fläche aufrechtzuerhalten. Zur Erbringung von Verwaltungsdienstleistungen in hoher Qualität benötigen wir deshalb E-Government-Anwendungen, zum Beispiel, um mobile Bürgerbüros möglich zu machen.

Nutzen wir die breite gesellschaftliche Unterstützung für das Thema E-Government und nehmen wir die Forderungen aus der Wirtschaft ernst; zeigen wir, dass wir verstanden haben, dass Verwaltung sich an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientieren und die Bedarfslagen der Wirtschaft berücksichtigen muss. Bekennen wir uns jetzt gemeinsam zu dieser Verantwortung und legen wir mit dem E-Government-Gesetz den Grundstein für einen Transformationsprozess.

Der Gesetzentwurf zeigt einen Weg auf, wie sich die Verwaltung von morgen oder übermorgen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des -anhaltenden Strukturwandels zur digitalen Welt entwickeln soll. Das E-Government-Gesetz schafft auf allen Ebenen die Möglichkeit, Verwaltung neu zu denken und zu organisieren. Investitionen in E-Government sind dabei Investitionen in die Zukunft – je früher, desto besser.