222. Sitzung, 21.02.2013, TOP 20:

Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes (Bevölkerungsstatistikgesetz – BevStatG)

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine Damen und Herren,

neben Zensus und Mikrozensus zählt die laufende Fortschreibung des Bevölkerungsstandes zu einem weiteren Instrument der Statistikbehörden, um ihren Aufgaben der Sammlung von Daten zu Massenphänomenen gemäß Bundesstatistikgesetz nachzukommen.

Was da seit einigen Jahren, ja seit Jahrzehnten kontinuierlich fortgeschrieben wird, stellt eine bürokratisch peinlich genaue Chronik unseres erwarteten Niederganges dar, so könnte man es etwas salopp formulieren. Nicht dass uns das Statistikwesen hier zur Selffulfilling Prophecy wird. Immerhin bleiben bei allen aus Statistiken abgeleiteten Prognosen große Unsicherheiten hinsichtlich der Verlängerung in die Zukunft. Zu viele Faktoren könnten die Prognose im Zeitverlauf doch noch in die eine oder andere Richtung verändern. Wir können also letztlich nur sehr bedingt anhand von Statistiken in die Zukunft schauen. Doch bei aller, übrigens auch kognitionswissenschaftlich gebotenen Vorsicht im Umgang mit Statistiken müssen wir doch zur Kenntnis nehmen: Die Zahl der Lebendgeborenen liegt, mit weiter fallendem Trend, strukturell unter der Zahl der Gestorbenen. Bei ungehindertem zeitlichem Ablauf sterben „wir“ aus. Immer mehr ältere Menschen, immer weniger jüngere Menschen, Jugendliche und Kinder schon eher gar nicht, so schreibt sich unsere Geschichte derzeit statistisch fort. Ebenfalls dokumentiert wird die weiter fallende Bereitschaft, sich „ewig zu binden“. Die Zahl der Neuehen geht zurück; die Scheidungsraten bleiben auf hohem Niveau.

Diese Zahlen sind zunächst nicht mehr und nicht weniger als die Grundlage und Voraussetzung für die Politik, für eine verantwortbare und, ich sage das hier mit aller Vorsicht, seriöse Demografiepolitik, die sich der Veränderlichkeit und des besonderen Erkenntniswerts von Statistiken bewusst ist. Es kommt darauf an, welche Schlüsse wir aus den uns präsentierten Zahlen und Kurven ziehen.

Die Bevölkerungsstatistik konfrontiert die Politik dabei immer wieder mit unangenehmen Fakten, die bei aller Interpretierbarkeit doch auch harte und nicht wegzudiskutierende Kernprobleme aufzeigen. Dieser Stachel im besten Sinne ist es, der mit der Fortschreibung der Bevölkerungsstatistik auch weiterhin funktionieren sollte.

Wir begrüßen es, dass zeitgemäß die Lebenspartnerschaften mit aufgenommen wurden, ohne das dafür, wie ja im gesamten Gesetzentwurf nicht, irgendwelche zusätzlichen Neuerhebungen angeordnet werden müssen. Denn auch das gehört zu einer seriösen Statistikarbeit: die Beschränkung auf das Notwendige und rechtlich Erforderliche und damit die Beachtung eines hohen Datenschutzstandards, damit Statistik nicht am Ende doch wieder Nachteile oder gar Risiken mit sich bringt. Gleichzeitig darf man sich jedoch auch fragen, weshalb es so wichtig sein soll, bestimmte Daten überhaupt zu erfassen, so zum Beispiel, wenn damit Stigmatisierung und Diskriminierung drohen und kein sachgerechter Anknüpfungspunkt für die Erfassung vorgetragen wird.

Die im Personenstandsrecht in der zurückliegenden Sitzungswoche hier von uns diskutierten, überwiegend begrüßenswerten Änderungen werden sinnvollerweise mit der Bevölkerungsstatistik synchronisiert. Dementsprechend wird zum Beispiel das Religionsmerkmal entsprechend seiner nur noch in wenigen Fällen und auch nur auf Wunsch erfolgenden Eintragung beim Standesamt auch im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht erhoben.

Zu prüfen bleibt, ob die überraschende Bereitschaft der Bundesregierung, eine eigene Personenstandschaft für Intersexuelle anzuerkennen, entsprechend auch ihre Abbildung im Bevölkerungsstatistikgesetz finden sollte.

Ausdrücklich begrüßen wir, dass entgegen dem Wunsch des Bundesrates die durchaus Anklänge an „Volksstatistiken“ bergende Erfassung von Körpergröße und Gewicht von Neugeborenen samt Berufstätigkeit der Mutter bei Geburt zukünftig nicht mehr erfasst wird. Der dazu erforderliche Nachweis der Erforderlichkeit harrt einer zeitgemäßen Rechtfertigung. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Informationen für sich und ohne jeden weiteren Kontext eine Relevanz für Auswertungen der Bevölkerungsstatistik entfalten.

Die Bevölkerungsstatistik wird in dem Maße im Umbruch bleiben, wie der gesellschaftliche Wandel Veränderungen von Ehe, Familie oder auch Identitätsvorstellungen allgemein nach sich zieht. Gerade bei der von uns maßgeblich erstrittenen Lebenspartnerschaft werden wir weiter darauf hinwirken, dass die Gleichbehandlung auf allen Ebenen gewahrt bleibt. Datenschutz und Datensicherheit bleiben ebenfalls aktuell: Von besonderer Bedeutung bleibt dabei die Einhaltung des Erforderlichkeitsgrundsatzes und die Beschränkung der Erfassung von personenbezogenen Daten auf das zur Zweckerreichung unbedingt Erforderliche.