234. Sitzung, 18.04.2013, TOP 15:

Gemeinsam haben wir über das Altersgeld in der ersten Lesung ja durchaus lebhaft diskutiert. Das ist bei einem zuweilen etwas hölzern daherkommenden Thema wie dem Beamtenrecht ja doch auffällig. Ich sage Ihnen, warum das so war – ich wiederhole das gern –: Die Aufregung auf Koalitionsseite bezog sich, neben der späten Stunde vielleicht, auch darauf, dass Sie von uns nicht daran erinnert werden wollten, dass die Koalition sich zum einen hinsichtlich der grundsätzlichen Einführung des Instruments mit fremden Federn schmückt, denn natürlich geht es auf die Anregung der Gewerkschaften zurück und war bereits in der Vorgängerkoalition gewissermaßen versandfertig gemacht. Zum anderen wollten Sie dann nicht erinnert werden, dass Wolfgang Schäuble selbst es war, der eine Umsetzung vor fünf Jahren persönlich zunichtemachte. Man kann also sagen, dass damit Jahre der Gerechtigkeit für die Beamten gezielt verschenkt worden sind.

Dass ein Instrument zur Frage der Versorgung beim freiwilligen Verlassen des Beamtenverhältnisses überfällig erscheint angesichts der erheblichen Benachteiligung durch die bloße Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, das ist Konsens. Und doch – das ist uns allen wohl auch klar – eine Gratwanderung: Flexibilisieren des Dienstrechts, aber gleichzeitig doch den Sonderstatus des Beamtentums unberührt lassen. Die Bindung durch das Lebensarbeitszeitverhältnis und das damit verbundene Treueprinzip durch den gesellschaftlichen Wandel zumindest in Teilbereichen wegkorrodieren sehen und doch eisern daran als „privilegiertem Normalfall“ festhalten. Gute Leute ziehen lassen müssen, ohne sie bestrafen zu können, weil sie es gewagt haben, den privilegierten Status des Beamtendaseins zu verlassen. Die Verhältnisse zwingen das Beamtentum weiter in die gesellschaftliche Öffnung und die Einnahme einer externen Perspektive, die danach fragt, wie das alles auf Bewerber, auf die fachlich besonders Qualifizierten wirkt, die wir zukünftig gewinnen müssen.

Man merkte diese Gratwanderung besonders eindringlich am „Einerseits-andererseits-Sprech“ des DBB-Vorsitzenden in der Ausschussanhörung, der davon sprach, den Eindruck vermeiden zu wollen, es handele sich beim Beamtensystem um ein „Einmal drin, mehr oder weniger gefangen“; man wolle dem Argument entgegentreten, man nehme dann erhebliche Abstriche in der Altersversorgung in Kauf. Andererseits gehe es um ein Bleibeargument; es sollte mit Nachdruck ein Ausstiegssignal vermieden werden.

Ich betone den Gerechtigkeitsaspekt dieses an und für sich vernünftigen Instruments gerne vorrangig, denn Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, scheint die Zuordnung zur Demografiepolitik und zur Fachkräftegewinnung wichtig. Sie und ich wissen aber, dass es mit den erwarteten Zahlen für die Inanspruchnahme des Altersgeldes – vergleichen Sie auch die moderaten Zahlen von Baden-Württemberg – zu den von Ihnen gebotenen Konditionen nicht so weit her ist. Und komplexe Großentwicklungen wie der demografische Wandel und deren Folgen werden mit dem von Ihnen vorgelegten Instrument ohnehin nicht steuerbar. Vor allem aber lehnen Sie ja gerade wirkliche Anreize – das hat die Fachanhörung ja deutlich herausgearbeitet – mit Ihrem Entwurf letztlich ab. Genau deshalb handelt es sich nicht um eine Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes, wie Ihnen der DGB und auch Verdi vorgehalten haben. Das ist keine Flexibilisierung des Wechsels in den öffentlichen Dienst oder aus ihm hinaus, das ist schon ein Wechsel-Abschreckungsprogramm.

Es erscheint wichtig, zu betonen, dass es zunächst durchaus schlicht einem Gebot der Fairness entspricht, dass ein Dienstherr die über Jahre ihm gegenüber erbrachten Leistungen auch versorgungsfest mitnahmefähig macht, ein gebotener Nachteilsausgleich eben. Der Verweis auf das Versprechen der Lebenszeitverbeamtung greift an dieser Stelle deshalb nicht mehr, weil das Ausmaß dessen, was die Gesellschaft heute von den Bürgern und deren Familien an Flexibilität verlangt, mit diesem Grundprinzip und der dahinterstehenden Denke oft nicht mehr vereinbar erscheint. Es sind heute genug Lebenssituationen denkbar, wo es schlicht nicht zumutbar erschiene, Beschäftigte weiter festzuhalten, ihnen aber gleichwohl gewissermaßen zur Bestrafung die Versorgungsansprüche vorzuenthalten.

Wie übrigens bei der Familienpflegezeit auch kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass diese Koalition des Stillstandes die Lorbeeren für ein strukturell wirkendes „Instrument der Flexibilisierung“ einheimsen wollte, ohne sich je auf ein entsprechendes Instrument geeinigt zu haben. Anders sind die von Ihnen eingebauten Hindernisse für die Beschäftigten, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, nämlich nicht zu verstehen. Geradezu akribisch haben Ihnen die Gewerkschaften das in der Anhörung des Innenausschusses auch dargelegt. An erster Stelle rangiert die Mindestdienstzeit, die entgegen der Empfehlung der Großen Merkel-Koalition von 2009 und entgegen den Landesregelungen von Baden-Württemberg und Niedersachsen statt auf fünf auf sieben Jahre hochgeschraubt wurde. Dabei ist es meines Erachtens auch schon nach vier Jahren nicht zu rechtfertigen, Beschäftigte derart abzustrafen, wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, weiterziehen wollen. Der 15-prozentige Abschlag zählt ebenfalls zu den eher harschen Abstandsgeboten der Beamtenschaft für diejenigen, dies es wagen, dem Bund die Treue aufzukündigen. Die Länder haben solche Abschläge nicht und wurden gleichwohl nicht überrannt.

Wie sehr wir die Durchlässigkeit der Systeme und die „Transportfähigkeit“ des Erfahrungswissens der Beschäftigten brauchen werden – in beide Richtungen: in den öffentlichen Dienst hinein und aber auch aus ihm wieder heraus –, wird in den kommenden Jahren vermutlich eine zentrale Debatte werden. Für manche Bereiche wie die IT oder ingenieurtechnischen Berufe ist es schon jetzt mehr als offenkundig. Vor diesem Hintergrund ist der vorgelegte Entwurf schlicht zu zaghaft.

Zur Gewinnung von Personal aus der Wirtschaft für den öffentlichen Dienst wird es weitere Schritte brauchen. Verdi hat – nur um hier einmal die Fantasie für wirkliche Reformdiskussionen anzuregen – einen, wie wir meinen, diskussionswürdigen Vorschlag vorgelegt: Der spätere Wechsel in den öffentlichen Dienst darf nicht durch Bedenken wegen möglicher Verluste bei den zuvor und außerhalb des öffentlichen Dienstes erbrachten Leistungen behindert werden. Deshalb könnte etwa die erweiterte Anerkennung von Ausbildungszeiten, wissenschaftlichen Qualifikationszeiten etc. als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten einen wichtigen Anreiz für Interessierte bieten. Wie gesagt: nur wenn man bereit ist, über den morgigen Tag hinauszudenken. Mit dieser Koalition war und ist das nicht mehr zu erwarten.

Hinsichtlich der Soldaten auf Zeit, die sich bis zu 25 Jahre und damit ja quasi lebenslänglich verpflichten, leuchtet auch mir nicht ein, weshalb es keinerlei Regelung der Portabilität geben soll. Dass diese wiederum sui generis ausgestaltet werden müsste, erscheint vor dem formalen Hintergrund der Unvergleichbarkeit mit der Lebenszeitverbeamtung ebenfalls naheliegend, sollte aber die weitere Ausarbeitung nicht hindern. Die Zurückhaltung der Koalition erklärt sich hier einzig aus den hohen erwarteten Zahlen, wie diese etwa in der Stellungnahme der Bundesregierung aus der letzten Wahlperiode dokumentiert wurden. Es käme dann aber eben auf die konkrete Ausgestaltung der Regelung an, um eine finanzierbare Alternative aufzuzeigen.

Einen weiteren interessanten Vorschlag des DGB, der ebenfalls in engem Verhältnis zur Thematik steht, sind die Wechsel von Spitzenbeamten in die Wirtschaft. Beim Wechsel zu einem Arbeitgeber, zu dem in Ausübung eines Amtes eine Geschäftsbeziehung bestand, über dessen Anträge entschieden wurde oder der beaufsichtigt wurde, könnte danach ein Anspruch auf Altersgeld ausgeschlossen werden. Es wäre ein gutes Signal gewesen, wenn diese Regierung im Kontext des Altersgeldes eine entsprechende Regelung mit aufgenommen hätte.

Die vielen kleinteiligeren fachlichen Kritikpunkte, von der GdP verdienstvollerweise höchst akribisch aufgelistet, die sich angesichts des konkreten Regierungsentwurfs anschließen, habe ich hier nicht weiter auf-greifen können. Vielleicht nur so viel: Auch der Familienzuschlag wird nicht als altersgeldfähig anerkannt. Eine weitere Hürde zu viel bei einem Instrument, dessen eigentliche Zielrichtung anerkennenswert erscheint. Wir werden deshalb dem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustimmen können, enthalten uns aber mit Blick auf den zutreffenden Grundansatz.