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Güterzüge auf der Hinterlandanbindung für die feste Fehmarnbelt-Querung: Kämen für die Anrainergemeinden in jeder Trassenvariante eher teuer und laut als „sozialverträglich und anwohnerfreundlich“

250. Sitzung, 27.06.2013, ZP. 17:

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen,

um es gleich unmissverständlich vorweg zu nehmen:

Ihr heute hier vorgelegter Antrag zur festen Fehmarnbelt-Querung, meine Damen und Herren von Union und FDP, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Seit Jahren diskutiert dieses Hohe Haus, für jede und jeden zum Glück gut dokumentiert, über die Sinnhaftigkeit einer festen Querung über den Fehmarnbelt – leider, das muss man an dieser Stelle noch einmal sagen – in einer Art und Weise, die dem Ansehen des Deutschen Bundestages nur sehr bedingt nutzen dürfte. Mit ihrem nun vorgelegtem Antrag fügen sie dieser Tragödie eine weitere Episode hinzu.

Seit nunmehr mehreren Legislaturperioden machen meine Fraktion und eine engagierten Zivilgesellschaft auf die eklatanten Planungsmängel des gesamten Projekts aufmerksam. Am Ende der 16. Wahlperiode, als die Unterzeichnung des Staatsvertrags unmittelbar bevorstand, führte der Verkehrsausschusses eine vierstündige Anhörung durch.  Im Zuge der Anhörung wurden die massiven ökologischen und ökonomischen Risiken des Projekts von mehreren Sachverständigen eindrucksvoll geschildert. Gegen alle Bedenken und wider besseren Wissens haben die Abgeordneten von CDU/CSU, FDP und auch SPD, bei letzterer Fraktion gab es immerhin wenige rühmliche Ausnahmen, schließlich grünes Licht für die Unterzeichnung des Staatsvertrags gegeben – obwohl dieser zahlreiche unklare juristische Formulierungen enthielt, wichtige Aspekte der Planung überhaupt nicht berücksichtigte, die Finanzierung des Projekts völlig ungeklärt war und auch die ökologischen Risiken aufgrund der Tatsache, dass noch völlig offen war, welche Art von Bauwerk, eine Brücke oder ein Tunnel, überhaupt entstehen wird, nicht ansatzweise absehbar waren.

Auf die gravierenden Planungsmängel machen beständig auch der Bundesrechnungshofes und der Rechnungsprüfungsausschuss dieses Hohen Hauses seit mehreren Jahren aufmerksam. Sie drängen angesichts eklatanter Versäumnisse im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung auf dringend notwendige Nachbesserungen und fordern die erneute Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern, dem Königreich Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland.

Bundesrechnungshof und Rechnungsprüfungsausschuss verweisen in ihren Stellungnahmen auf nicht absehbare Risiken für die öffentliche Haushalte, die sich aus unklaren juristischen Formulierungen ergeben. Zudem weisen sie seit Jahren auf massive Kostensteigerungen des Projekts und die Tatsache hin, dass zahlreiche zusätzliche Kosten überhaupt noch nicht in die Berechnungen eingeflossen sind. Insgesamt bestehen seit Jahren massive Zweifel an den dem Projekt zugrundeliegenden Rentabilitätsberechnungen.

Bereits vor Inkrafttreten des Staatsvertrags warnte der Bundesrechnungshof in einer Stellungnahme nach § 88 Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) an den Rechnungsprüfungsausschuss, einen Unterausschuss des Haushaltsausschusses des Bundestages, dass sich die bisher kalkulierten Kosten für den Ausbau der Deutschen Hinterlandanbindung auf 1,7 Milliarden Euro verdoppelt hätten – ohne dass weitere Kosten wie der Ausbau des Knotenpunktes Hamburg oder Ausbau des Schienenteilstücks von Lübeck bis Puttgarden überhaupt berücksichtigt wurden. Mit Hinweis hierauf hat der Bundesrechnungshof wiederholt die Bundesregierung aufgefordert, aktualisierte Kostenkalkulationen vorzulegen.

Genauso wenig wurden bisher die Kosten für eine bei der Realisierung einer festen Fehmarnbelt-Querung zwingend benötigten zweiten Brücke über den Fehmarnsund berücksichtigt. Gleiches gilt für die Kosten für eine immer wieder in Aussicht gestellten Alternativtrasse der Hinterlandanbindung fernab der Ostseebäder sowie – nicht erst nach dem Wegfall des „Schienenbonus“ dringend benötigte – zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen.

Addiert man alle bislang nicht berücksichtigten Kosten für die öffentlichen Haushalte zusammen, landet man schnell bei einer Summe von 2,5 Milliarden Euro und mehr, wohlgemerkt allein für die Hinterlandanbindung einer Querung, die aller Wahrscheinlichkeit nach von weit unter 10.000 Autos und unter 100 Züge am Tag genutzt würde und deren Grundlast damit unter 20  Prozent der üblichen Kapazität einer zweistreifigen Schnellstraße mit 26000 Autos am Tag läge!

Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme vom April 2009 folgerichtig bezüglich des Projekts vor „erheblichen Unsicherheiten für künftige Bundeshaushalte“ gewarnt. Des Weiteren kritisierte der Bundesrechnungshof zahlreiche unklare juristische Formulierungen des Vertragswerks. So enthalte der Staatsvertrag „Klauseln, welche die Vertragspartner unter nur unpräzise formulierten Voraussetzungen zu Nachverhandlungen – auch über die Kostentragung – verpflichte.

Obwohl die Bundesregierung als verantwortliche Vertragspartnerin immer wieder mit Hinweis auf die eklatanten Planungsmängel, die extremen Kostensteigerungen des Projekts und die Neuverhandlungsklausel in § 22 des Staatsvertrags, dazu aufgefordert wurde, tatsächlich in Neuverhandlungen mit dem Königreich Dänemark einzutreten, hat sie diese Verpflichtung bisher ignoriert. Die Bundesregierung, lassen Sie es mich dies an dieser Stelle ausdrücklich sagen, trägt damit die volle politische Verantwortung für dieses mit massiven Risiken verbundene Projekt.

Wir haben auch hier im Plenum immer wieder über eben diese eklatanten Planungsmängel gesprochen und die Bundesregierung unzählige Male in den letzten Jahren aufgefordert, endlich eine aktualisierte Rentabilitätsberechnung vorzulegen und zumindest die nötigen Nachbesserungen bezüglich des Staatsvertrags vorzunehmen. Hierzu lagen verschiedene Anträge aller Oppositionsfraktionen vor. Auch meine Fraktion hat hier am 25. April 2012 mit einen entsprechenden, sehr ausführlichen Antrag, erneut auf die Problematik aufmerksam gemacht und die schwarz-gelbe Bundesregierung aufgefordert, dies in ihre Abwägungen bezüglich der Bewertung der Sinnhaftigkeit des Projekts einzupreisen.

Die Kritikerinnen und Kritiker der Querung verweisen also seit nunmehr mehreren Jahren gebetsmühlenartig immer wieder auf die ganz massiven ökologischen und ökonomischen Probleme und Risiken des Projekts. Die schwarz-gelben Befürworter der Querung haben hierauf bislang nicht mal ansatzweise reagiert. Sämtliche Warnungen bezüglich des Projektes wurden in den Wind geschossen, und anstatt gegenüber der eigenen Bundesregierung wichtige Verbesserungen anzumahnen, zieht man es bis heute vor, von einem „Jahrhundertprojekt“ zu schwadronieren, dass letztendlich schon zu einem gutem Abschluss gebracht werde. Nach dem Motto „Augen zu und durch“ haben Sie seit Jahren unbeirrt an den bisherigen Planungen festgehalten und sich von den ökonomische und ökologische Realitäten gar nicht erst irritieren lassen. Diese verkehrspolitische Vogelstrauß-Haltung wird die Menschen in diesem Land im Allgemeinen als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und die Menschen auf Fehmarn, in Ostholstein und im Hamburger Rand im Besonderen, sehr teuer zu stehen kommen. Soviel ist gewiss.

Sie meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP haben die Bürgerinnen und Bürger der Region mit ihren Sorgen alleine gelassen und merken nun, wo das Projekt zusehends an die Wand fährt, dass Ihr bisheriger Kurs nicht durchträgt. Dabei rieten Sie in der letzten hierzu in diesem Hohen Haus geführten Debatte noch, man solle einfach „ein bisschen Hoffnung und Fantasie“ haben. Die guten Argumente werde man uns im Ausschuss gerne noch einmal vortragen. Allein gehört haben wir Sie nicht!

Statt jetzt endlich die zahlreichen Hiobsbotschaften, die uns bislang bezüglich des Projekts erreicht haben, zur Kenntnis zu nehmen und sich intensiv mit den tatsächlichen Kennzahlen des Projekts auseinanderzusetzen, legen Sie nun, in der letzten Sitzungswoche der Legislatur und gerade noch rechtzeitig vor den Bundestagswahlen, einen lachhaft dünnen Antrag vor, mit dem Sie offenbar, meine Damen und Herren der Koalition, im kommenden Wahlkampf durch die schleswig-holsteinischen Landen ziehen und Problemverständnis vortäuschen wollen. Dieser Plan wird nicht aufgehen.

Ihr Antrag, das muss man einfach so deutlich sagen, ist das Papier nicht wert auf dem er steht. Unter anderem berufen Sie sich in ihm auf einen Forderungskatalog, den der Kreistag Ostholstein im Jahr 2007 verabschiedet hat. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das war vor 6 Jahren! Seitdem ist viel geschehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP!

Auch dokumentieren Sie mit ihrem Antrag eindrücklich, dass sie die aktuellen Entwicklungen am Fehmarnbelt nicht ansatzweise verfolgt haben. So wurde von der Deutschen Bahn längst zugesagt, dass die in ihrem Antrag geforderte Alternativtrasse mit in die weitere Planung aufgenommen wird. Das Placebo, das Sie hier verteilen wollen, hat die Bahn längst selbst als Mittel erkannt, den Protest auszubremsen.  Ob die Alternativtrasse tatsächlich kommt, ist mehr als fraglich. Und das wissen Sie – genauso wie die Deutsche Bahn – auch.

In ihrem Antrag verweisen Sie auf das Raumordnungsverfahren, das im Januar 2013 in Schleswig-Holstein gestartet sei. Von den mehreren tausend Einwänden, die hierzu eingegangen und zu einer weiteren Verzögerung des Projekts geführt haben, schreiben Sie bezeichnenderweise kein Wort. Genauso wenig erwähnen Sie in ihrem Antrag auch nur mit einer Silbe all die anderen eklatanten Planungsmängel, die in den letzten Jahren offenbar wurden, zum Beispiel den Umstand, dass man, obwohl wir Sie auch hierauf immer wieder hingewiesen hatten, bei den Planungen zur festen Fehmarnbelt-Querung scheinbar übersehen hat, dass es sich bei Fehmarn tatsächlich um eine Insel handelt und am Fehmarnsund ohne eine weitere Brücke ein Nadelöhr entsteht.

Nun wollen Sie, so steht es zumindest in Ihrem Antrag, auch hier noch einen zusätzlichen Tunnel bauen. Woher die Mittel hierfür, mehrere hundert Millionen Euro, kommen sollen, sagen Sie leider nicht. Genauso wenig sagen Sie etwas zu der weiterhin völlig in den Sternen stehende Gesamtfinanzierung der deutschen Hinterlandanbindung oder zur Finanzierung weiterer Lärmschutzmaßnahmen. Oder der Beseitigung des Knotenpunktes Hamburg. Alles Punkte, die der Bundesrechnungshof seit Jahren anmahnt! Zu alledem kein Wort von Ihnen!

Unterm Strich bleibt, dass Sie mindestens 2,5 Milliarden Euro im Hinterland des Fehmarnbelts vergraben wollen, für eine Strecke, die mit unter 10 000 Fahrzeugen täglich andernorts nicht einmal den Bau einer Umgehungsstraße rechtfertigen würde. Auch das von der Deutschen Bahn aktuell prognostizierte Bahnverkehrsaufkommen ist nicht imstande, die Realisierung in irgendeiner Form zu rechtfertigen. Dass die Bahn nach Inkrafttreten des Staatsvertrages plötzlich ihre Erwartungen der täglichen Züge von 210 auf 96 gesenkt hat, macht Sie nicht stutzig.

Seit Jahren mahnen wir Sie mit Blick auf die Fehmarnbelt-Querung, den gefährlichen Kurs der völlig unrealistischen „Wünsch-Dir-Was-Politik“ zu verlassen und sich endlich an verkehrspoltischen und ökonomischen Realitäten zu orientieren. Ihr Bundesverkehrsminister scheint langsam zu erkennen, wozu Sie leider noch immer nicht im Stande zu sein scheinen. Im Bereich der Verkehrspolitik befanden wir uns viel zu lang auf einem Irrweg. Daher begrüßen wird es, dass Ihr Verkehrsminister gerade in Aussicht gestellt hat, Gelder, die bislang in Neubauprojekte, darunter zahleiche Prestige-Projekte mit höchst zweifelhaftem verkehrspolitischem Nutzen, gesteckt wurden, zukünftig in den Erhalt und die Sanierung bestehender Straßen zu investieren.

„Die Zeit der Wunschzettel“ sei vorbei, stattdessen müsse streng priorisiert werden, so Bundesverkehrsminister Ramsauer im Rahmen der 3. Nationalen Konferenz „Güterverkehr und Logistik“ kürzlich in Nürnberg. Während Ihr Verkehrsminister mit Hinweis auf wegbröckelnde Brücken und einen oftmals miserablen Zustand der Infrastruktur in unserem Land hoffentlich tatsächlich erkannt hat, wohin ein Festklammern an einer längst überholten Verkehrspolitik führt, halten Sie weiter unbeirrt an dem Paradebeispiel einer unsinnigen und in Zeiten leerer Kassen und eingezogener Schuldenbremsen geradezu fahrlässigen Verkehrspolitik fest. Während Ihr Minister zu Protokoll gibt, dass es mittlerweile an allen Ecken und Ende brenne, halten Sie, obwohl Sie nur zu gut um den Zustand der schleswig-holsteinischen Verkehrswege wissen, auch weiter an einer unsinnigen festen Fehmarnbelt-Querung fest und versuchen nun durch die plumpe Forderung nach einer Alternativtrasse, die Probleme im Wahlkampf kaschieren zu können. Sie übersehen dabei, dass sich die Kostenproblematik durch Alternativtrassen nochmal erheblich verschärft und auch eine Alternativtrasse zahlreiche „Verlierer“ produzieren würde, ganz abgesehen von dem rechtlichen Problem, ob Güterzüge überhaupt gezwungen werden können, eine bestimmte öffentliche Strecke nicht zu befahren.

Es wäre Ihre Aufgabe als Vertreter der Koalitionsfraktionen, Druck auf die eigene Bundesregierung auszuüben, die bestehenden Planungsmängel endlich zu beseitigen und sich für tatsächliche Verbesserungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger in Ihren Wahlkreisen einzusetzen. Das tun Sie aber nicht. Genauso wenig erkennen Sie, dass die Zeit reif ist, die Sinnhaftigkeit der Querung zumindest einem bis heute nicht stattgefundenen kritischen Abgleich mit Realitäten zu unterziehen. Stattdessen legen Sie hier am Ende der Legislatur noch einen mehr als dürftigen Placebo-Antrag vor.

Sie erdreisten sich tatsächlich nicht, die eigene Bundesregierung sage und schreibe fünf Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrags aufzufordern, sich bei den weiteren Planungen „für akzeptable Formen sowohl bei der Trassenführung als auch beim Lärmschutz“ einzusetzen?

Wenn Sie, meine Damen und Herren der schwarz-gelben Koalition, glauben, jetzt, im Nachklapp der Entscheidung der Deutschen Bahn, einen solchen Antrag vorlegen und mit diesem tatsächlich durchkommen zu können, haben Sie sich geschnitten. Mit diesem Populismus werden Sie nicht bestehen. Sie wissen genau so gut wie ich, dass die Menschen in der Region die Diskussionen über die feste Fehmarnbelt-Querung und deren Planungen sehr genau verfolgen. Sie haben die Reden, die Sie hier in diesem Hohen Haus über Jahre gehalten haben, genau mitgeschnitten. Ihnen ist Ihre in diesen Debatten offen zur Schau gestellte Ignoranz gegenüber sämtlicher vorgebrachter Warnungen und angemahnter Nachbesserungen keineswegs verborgen geblieben.

Im Zuge der Debatte, die wir in diesem Haus am 26. April dieses Jahres zur festen Fehmarnbelt-Querung führten, kritisierte der Kollege Gero Storjohann, dass bezüglich der Querung im Parlament „laufend Anträge vorgelegt“ werden, was „nicht besonders originell“ sei. Ich sag Ihnen eins, meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP, speziell in Richtung meiner Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig-Holstein: Es stimmt, unsere, immer und immer wieder durch belastbares Zahlenmaterial untermauerten Anträge waren gewiss nicht „originell“. Dafür ist die Thematik viel zu ernst. Was ebenso keineswegs originell ist, ist die Menschen in Schleswig-Holstein für dumm zu verkaufen. Nichts anderes tun Sie durch die Vorlage dieses Antrags. Er wird Ihnen am Ende dieses Fehl-Projekts nicht aus der Patsche helfen.