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Bundeskanzleramt im Dunkeln: Wie hält man es mit Datenschutz und Vorratsdatenspeicherung?

Zur heutigen mündlichen Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung erklären Dr. Konstantin von Notz, Sprecher für Innen- und Netzpolitik der grünen Bundestagsfraktion und Burkhard Peters, Sprecher für Innenpolitik der grünen Landtagsfraktion:

Angela Merkel ist die Kanzlerin der Vorratsdatenspeicherung. Sie und die Union haben die EU-Richtlinie gegen breiten Widerstand in der Bevölkerung in Brüssel mit durchgesetzt. Das großkoalitionäre Umsetzungsgesetz ist 2010 vor dem Bundesverfassungsgericht krachend gescheitert. Das Gericht hat – auch mit Hinweis auf eine zu berücksichtigende „Überwachungsgesamtrechnung“ – die denkbar höchsten Hürden für eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung formuliert. Die anlasslose verpflichtende Speicherung von E-Mail-, Telefon- und Internetverbindungen von 500 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürgern für bis zu zwei Jahren ist nichts anderes als der Überwachungsstaat. Zu Recht haben deshalb mehrere Verfassungsgerichte von EU-Mitgliedstaaten die Umsetzung gestoppt.

Der Europäische Gerichtshof hat jetzt die historische Chance, ein überzeugendes Grundrechtsprofil zu gewinnen. Der EuGH sollte berücksichtigen, dass andere von der EU verfolgte Vorhaben wie die Bank- und Fluggastdatenspeicherung die Möglichkeit für weitere Überwachung verfassungsrechtlich stark begrenzen. Der EuGH verhandelt zudem im Lichte der Enthüllungen über die anlasslose Totalüberwachung europäischer Kommunikation durch die Geheimdienste. Sollte es dem Gericht vor dem Hintergrund der augenblicklichen Krise westlicher Verfassungsstaaten nicht gelingen, ein eindeutiges Votum zu finden, können wir das Kommunikationsgeheimnis getrost als Totalverlust abschreiben. Wir setzen uns dafür ein, das Kommunikationsgeheimnis zu stärken und Art. 10 GG bzw. die Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta zu einem umfassenden Telekommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis auszubauen.

Im schleswig-holsteinischen Koalitionsvertrag stellen wir zu Recht fest, dass es sich bei der Vorratsdatenspeicherung um einen hochproblematischen Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger handelt. Vor diesem Hintergrund fordern wir die Landesregierung auf, sich auch weiterhin auf Europa- und Bundesebene, im Bundesrat und in der Innenministerkonferenz gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung einzusetzen.