Zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Überwachungs- und Geheimdienstaffäre im Deutschen Bundestag erklärt der grüne Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Dr. Konstantin von Notz:

Seit mehr als einem dreiviertel Jahr erleben wir den größten Überwachungs- und Geheimdienstskandal in der Geschichte der westlichen Demokratien. Die Affäre um die massenhafte Kommunikationsüberwachung durch verschiedene westliche Geheimdienste hatte die Union kurzerhand im August 2013 für „beendet“ erklärt. Das bisherige Vorgehen der Bundesregierung ist aus heutiger Perspektive, auch angesichts der Dimension der Bedrohung unseres Rechtsstaats, schlicht skandalös. Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung nicht aufklären und die notwendigen Konsequenzen ziehen will, muss diese Rolle einmal mehr das Parlament übernehmen.

Während im Wahlkampf auch noch die SPD die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses entschieden forderte, war nach ihrem Eintritt in die große Koalition  hiervon kaum noch etwas zu hören. Als grüne Bundesfraktion haben wir in den letzten Monaten, ob in zahlreichen parlamentarischen Anträgen, in Ausschusssitzungen oder in von uns vorgelegten parlamentarischen Initiativen immer wieder auf eine umfassende Aufklärung der durch Edward Snowden ans Tageslicht gekommenen Praktiken gedrängt. Gemeinsam mit der Linken haben wir bereits am 4. Februar 2014 einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vorgelegt. Eine Woche später zogen die Regierungsfraktionen nach und legten eigene Vorschläge vor.

Der von Union und SPD vorgelegte Antrag war zwar an Worten reicher, dem Inhalt nach aber dünner, der Untersuchungsauftrag deutlich enger. Die Rolle der deutschen Nachrichtendienste sollte komplett ausgeblendet werden. Seit mehreren Monaten haben wir mit den Regierungsfraktionen verhandelt – und uns schließlich auf einen gemeinsamen Auftrag geeinigt. Am Ende konnte sich die Opposition in beinahe allen Punkten durchsetzen, so dass der Ausschuss nun Anfang April seine Arbeit aufnehmen, Licht ins Dunkel bringen und Konsequenzen für den Gesetzgeber ausarbeiten kann.

Konkret wollen wir klären, in welchem Umfang verschiedene westliche Geheimdienste sowie private Subunternehmen Kommunikationsdaten aus, von und nach Deutschland sowie über Deutsche im Ausland erfasst, gespeichert, kontrolliert und ausgewertet haben. Uns interessieren die Details zur Überwachung des Kanzlerinnenhandys sowie deutscher Ministerien, Behörden, diplomatischer Vertretungen und Unternehmen. Auch ist zwingend zu klären, ob aus diplomatischen oder militärischen Einrichtungen in Deutschland heraus spioniert wurde. Wir wollen zudem erfahren, was deutsche Dienste seit wann über derartige Praktiken wussten, in welcher Weise sie darin verwickelt waren, ob sie Nutzen daraus zogen und ob die Bundesregierung die zuständigen Gremien zutreffend unterrichtet hat.

Außerdem wollen wir untersuchen, ob deutsche mit ausländischen Geheimdiensten sensible Informationen austauschten, die sie nach dem Recht ihrer Länder selbst nicht hätten erheben dürfen. Aufgeklärt werden soll auch, ob US-Stellen von Deutschland aus einen „Geheimen Krieg“ führten – etwa mit gezielten Tötungen durch Kampfdrohnen – und wie deutsche Stellen hieran gegebenenfalls teilnahmen. Schließlich sollen Empfehlungen ausgesprochen werden, etwa für eine wirkungsvolleren Kommunikationsschutz, Einschränkungen der Tätigkeit deutscher Geheimdienste sowie deren besserer Kontrolle durch die Parlamente und andere.

Wir streben an, alsbald Edward Snowden als Zeugen einzuladen und ihm hierfür einen sicheren Aufenthalt in Deutschland zusichern zu lassen. Auch sollen die von ihm lancierten Unterlagen beigezogen werden. Ziel des Ausschusses muss sein, die Herrschaft des Rechts wieder herzustellen. Ich freue mich sehr auf die sehr intensive Arbeit in den kommenden Jahren. Der Ausschuss wird aus insgesamt acht Mitgliedern bestehen. Die Opposition stellt zwei davon, d.h. sowohl Linke als auch Grüne entsenden jeweils ein Mitglied. Gemeinsam stellen sie ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses. Somit stehen der Opposition wichtige zusätzliche Rechte zu. Als ständiges Mitglied werde ich, als stellvertretendes Mitglied mein Kollege Hans-Christian Ströbele die Arbeit betreuen. Wir beide werden morgen, wenn der Parlamentarische Untersuchungsausschuss im Plenum des Bundestages eingesetzt wird, für die grüne Fraktion sprechen.

Den Einsetzungsbeschluss im Wortlaut finden Sie hier.