76. Sitzung, 18.12.2014, TOP 23:

Den Videomitschnitt der Rede können Sie hier sehen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann ja verstehen, dass Sie sich bei all dem Frust in der Großen Koalition gern für Selbstverständlichkeiten abfeiern. Aber das ist hier und heute gänzlich unangebracht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Denn die Herstellung der völligen Unabhängigkeit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz als Hüterin der Grundrechte ist europarechtlich geboten, und zwar seit Jahrzehnten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat eine effektive Datenschutzkontrolle zur Voraussetzung für Dateien im Sicherheitsbereich genannt. Die Dateien gibt es, bei der Kontrolle ist Fehlanzeige. So geht es eben nicht, meine Damen und Herren.

Wir haben die Unabhängigkeit hier in den letzten Jahren immer wieder eingefordert, und Sie haben sie bisher blockiert, vor allem die Kolleginnen und Kollegen der Union. Ihre Feierlaune ist deswegen völlig deplatziert; denn Sie stellen die Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten eben auch heute nicht her.

Das liegt daran, dass Sie insgesamt ein gespaltenes Verhältnis zum Datenschutz und zur Privatsphäre in der digitalen Welt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Seit Jahren blockieren Sie die Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten. Sie blockieren jegliche Verbesserung der Privatsphäre von Menschen in der digitalen Welt. Sie verweigern seit Jahren ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Statt aus den Niederlagen vor dem Bundesverfassungsgericht und vor dem EuGH zu lernen, halten Sie an der Vorratsdatenspeicherung fest. Auf dem CDU-Parteitag konnten wir lernen: Sie wollen auch noch die Anonymität im Netz gänzlich wieder abschaffen. Na, herzlichen Dank! Praktisch täglich dokumentieren Sie Ihr Versagen, aus dem von Edward Snowden aufgedeckten Skandal Konsequenzen zu ziehen.

Die Bundesregierung wollte einen Maulkorb für die amtierende Datenschutzbeauftragte und die ehemaligen Datenschutzbeauftragten. Dieser Vorschlag ist bei den Sachverständigen – das hat der Kollege Korte gesagt – mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Nun legen Sie kosmetische Korrekturen beim Maulkorb vor. Es bleibt jedoch bei einer Genehmigungspflicht für den ehemaligen BfDI und die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, die sich ins „Benehmen“ mit dem BMI zu setzen hat. Ins „Benehmen“, das klingt harmlos, Herr Kollege Reichenbach. Wir können hier ja einmal gesetzlich beschließen, dass Sie sich vor jeder Rede im nächsten Jahr mit mir ins „Benehmen“ darüber zu setzen haben, was Sie hier sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich kann Ihnen schon sagen, wie das Ihre Unabhängigkeit als Abgeordneter einschränken würde.

Ihnen liegt unser europa- und verfassungsrechtskonformer Antrag vor, der in der Anhörung großes Lob, großen Zuspruch erfahren hat. Seine Annahme würde verhindern, dass die Bundesregierung, so wie sie es im PUA täglich tut, unter Berufung auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung immer wieder Informationsblockaden errichtet.

Ihre Vorlagen enthalten weitere Regelungen, die die vollständige Unabhängigkeit darüber hinaus einschränken: das alleinige Vorschlagsrecht der Bundesregierung bei der Benennung der Bundesbeauftragten, die fehlende haushalterische Unabhängigkeit, die lückenhaften Einsichtsbefugnisse der BfDI im Sicherheitsbereich, das Fehlen von wesentlichen Sanktionsbefugnissen – Herr Reichenbach, das haben Sie sogar angesprochen – im Bereich der Post und Telekommunikation. Dazu kommen erhebliche Kontrolllücken zwischen der G-10-Kommission und der BfDI, die Sie nicht gesetzlich schließen wollen. All das ist völlig unzureichend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir erleben derzeit den größten Datenschutzskandal aller Zeiten. Dazu braucht es klare parlamentarische Antworten: Neben der Aufklärung im Untersuchungsausschuss, gesetzgeberischen Konsequenzen und der Stärkung der parlamentarischen Kontrolle ist das eben auch eine Stärkung der BfDI. Der Aufgabenbereich der Bundesbeauftragten für den Datenschutz ist massiv gewachsen. Sie sind aber nicht in der Lage, die Behörde entscheidend zu stärken.

Dieses Gesetz, bei dem Sie selbst sagen, dass es überfälligerweise einen rechtswidrigen, hochproblematischen Zustand beseitigt, soll erst 2016 in Kraft treten. Bis dahin soll eine Genehmigungspflicht durch das BMI bei gerichtlichen und außergerichtlichen Aussagen weiterbestehen. Man kann einmal sehr gespannt sein, wie Sie sich im PUA NSA verhalten, wenn Frau Voßhoff und Herr Schaar kommen.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Kollege von Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Ich fordere Sie auf, die tatsächliche Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht zu gewährleisten,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

eine angemessene finanzielle und personelle Ausstattung zu schaffen und die Möglichkeit, ihre wichtige Funktion zum Schutz unserer Grundrechte endlich wahrnehmen zu können, zu sichern. All das erfüllt Ihr Vorschlag nicht. Deswegen lehnen wir ihn ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)