DSC07034Bei einem Vor-Ort-Termin diskutierte der grüne Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz mit der Naturschutzexpertin Nikola Vagt, grünen Kommunalpolitikern und besorgen Anwohnerinnen und Anwohnern am vergangenen Freitag in Mölln. Denn es nicht sicher auszuschließen, dass eines Tages mit der Festen Fehmarnbelt-Querung mehr Güterverkehr in Lübeck ankommen wird, der sich dann seinen Weg Richtung Süden über die überlasteten Bahnstrecken rund um Hamburg  sucht. „Hier geht es nicht um Panikmache, aber eine gesunde Skepsis ist gegenüber oft schon enttäuschten Bahnversprechen und einer allzu oft kurzsichtigen Verkehrsplanung angebracht – denn selbst wenn das Güteraufkommen nicht so steigt, wie in den bunten Werbebroschüren versprochen, bleibt die Güterlogistik ein knallhartes Geschäft, in dem unter hohem Kostendruck dort gefahren wird, wo es geht und günstig ist – betroffene Anwohner und Gemeinden haben da nicht viel zu sagen“, erkläre von Notz.

Foto Logo Ausschwärmtag Grüne SHDeshalb lud der Möllner Stadtvertreter und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag im Rahmen des verkehrspolitischen Ausschwärmtags der Schleswig-holsteinischen Grünen in sein Wahlkreisbüro, das mitten in der malerischen Altstadt liegt. „Heute schwären landesweit grüne Abgeordnete aus, um sich vor Ort ein Bild davon zu machen, was auf den Bau- und Problemstellen unserer Infrastruktur falsch läuft und wie eine alternative Mobilitätspolitik aussieht, die vorausschauender plant und ehrlicher Prioritäten setzt. Denn immer neue Wunschprojekte in die Gegend klotzen, während unsere ganz alltäglichen Verkehrswege – Landstraßen, Busverbindungen, Brücken – kaputt gespart werden, ist in Zeiten knapper Kassen und des demografischen Wandels schlichtweg verrückt – und das Prestigeprojekt eines völlig unnützen aber milliardenschweren Belttunnels ist ein Sinnbild für diese Kurzsichtigkeit“, so von Notz. Zusammen mit der NABU-Projektkennerin Nikola Vagt hinterfragte er das Kosten-Nutzen-Verhältnis, versteckte Kostenrisiken und nicht zuletzt die ganz erheblichen Auswirkungen auf ganz Schleswig-Holstein.

DSC07044„So ein Riesenbau mitten durch das wertvolle und ohnehin angeschlagene Ökosystem der Ostsee ist nicht nur ein ganz erheblicher Eingriff in geschützte Naturräume. Er betrifft auch alle Menschen in dieser Region, die vom naturnahen Tourismus und damit von und in ihrer ruhigen Landschaft lebt. Das bewegt uns schon seit Jahren auf Fehmarn und Ostholstein, aber unsere schwierigen Erfahrungen gehen auch alle anderen Trassenanrainer an, ob in Lübeck, Stormarn oder hier im Herzogtum“, so die Naturschützerin und Projektkritikerin Nikola Vagt. „Daher kann ich allen nur raten, sich jetzt zu informieren und rechtzeitig Einspruch einzulegen. Denn auch in Ostholstein wurden die Nachteile zunächst nur kleingeredet und leere Versprechen, wie den Erhalt der Bäderbahn, gegeben. Besonders warnen möchte ich vor Trassendiskussionen, bei denen Ortsteile und Nachbarn gegeneinander ausgespielt werden – nach dem Motto, wenns nicht durch meinen Vorgarten geht, ist es mir doch egal. Denn dieses Großprojekt wird auf Jahrzehnte sämtliche Bundesmittel für Schleswig-Holstein binden und damit für Schlaglöcher auf allen Bundesstraßen, bröckelnde Brücken, einen blockadeanfälligen Nordostseekanal und weiter verspätete Regionalbahnen sorgen – und zwar landesweit.“

DSC07053Anhand einer Grafik erläuterte anschließend Konstantin von Notz, wie es in Zukunft um mögliche Mehrbelastungen auf der Bahnstrecke Lübeck – Ratzeburg – Mölln – Büchen – Lauenburg – Lüneburg steht. Heute fahren auf der eingleisigen und nicht elektrifizierten Nebentrasse nur gelegentlich laute D-Lok-Güterzüge. Aber der Hamburger Bahnknoten und die Haupttrassen nach Hannover bzw. Berlin sind heute schon chronisch überlastet und die östliche Ausweichroute über Bad Kleinen und Stendal müsste erst noch ausgebaut werden. Ob das passiert, steht jedoch ebenso in den Sternen, wie der von Niedersachsen beantragte Ausbau der Lübeck-Lüneburger Bahn. Wahrscheinlicher ist, dass schlichtweg mehr Güterzüge über die eingleisige Bestandstrasse fahren.

Zwar begrenzt hier die unausgebaute Infrastruktur und die veraltete Elbquerung noch die Kapazitäten, aber „um eine schlaflose Nacht zu haben, braucht es nicht 80 Güterzüge, da reichen auch schon acht“, verdeutlichte von Notz. „Deswegen ist es auch so verrückt, eine zweite Gütermagistrale durch Schleswig-Holstein aufzumachen. Selbst wenn das Aufkommen nach Skandinavien aller Voraussicht nicht so dramatisch steigt, werden somit dennoch mehr Anwohner in Mitleidenschaft gezogen – während der internationale Güterverkehr über die Alpen und Richtung Osteuropa vielfach dynamischer ist und selbst dort Deutschland allen internationalen Verpflichtungen mit seinen Nachbarländern hinterläuft – und derweil die wirklich wichtigen Routen im Norden – Nordostseekanal, Rader Hochbrücke usw. – verrotten. Die einzigen, die hierbei gewinnen werden, sind die Bauunternehmer beidseits des Belts. Deshalb sind wir gegen dieses einzelne Projekt, an sich ist die Verlagerung von Gütern auf die Schiene weiterhin sinnvoll und mit der modernen, wesentlich leiseren Bremstechnik durchaus weniger belastend als all die Laster, die durch unsere Innenstädte fahren. Doch wenn wir wirklich etwas für den Güterverkehr auf der Schiene tun wollen, sollten wir die knappen Mittel nicht hier verschwenden.“

DSC07070Bei einem abschließenden Gang zum nahegelegenen Bootsanleger Morgenroth schilderte die grüne Kreisvorsitzende Mechthild Rösker, als Anwohnerin in der Seestraße, wie laut die heute noch seltenen Güterzüge gerade nachts über den Stadtsee schallen. „Das betrifft vor allem die Anwohner am Bahnhof und um den Doktorhofweg, aber auch die Altstadt. Einer Freundin aus dem Lübecker Hochschulstadtteil geht es ähnlich. Und dann wären da noch Ratzeburg, Büchen und Lauenburg an der Strecke.“ Zuvor hatte in einer Videobotschaft der Tourismusunternehmer Oliver Morgenroth seine Sorgen deutlich gemacht: „Mit unseren Ferien- und Kurgästen leben wir von unserer malerischen Altstadt in einer ruhigen Seenlandschaft. Und auch viele junge Familien ziehen von Hamburg nach Mölln, um hier beschaulicher zu leben, wir müssen alles daran setzen, um unsere Lebensqualität hier zu behalten.“

Hier finden Sie die Presse-Berichterstattung zum Termin:

„Güterverkehr vom Belt durchs Herzogtum?“, in: Herzogtum Direkt, 16. Februar

„Von Notz: Beltschiene kann verhindert werden“, in: Lübecker Nachrichten, 13. Februar

„Grüne: Droht Herzogtum Lauenburg Megabahntrasse“, in: Lübecker Nachrichten, 9. Februar