Im Plenum des Bundestags wurde am 14. April, unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit, auf Antrag der Fraktion Die Linke erneut über die Netzneutralität diskutiert. Ziel der von der Fraktion Die Linke eingebrachten Initiative „Netzneutralität im Rahmen der Vorgaben der EU-Verordnung gesetzlich absichern“ (pdf) ist es, dass die vor kurzem vorgelegte EU-Verordnung zur Netzneutralität durch ein nationales Gesetz konkretisiert wird.

Bislang ist vorgesehen, dass die nationalen Regulierungsbehörden in einem sogenannten „soft law Verfahren“ Vorschläge erarbeiten, wie die in der Verordnung gefassten Spielräume regulatorisch konkret ausgestaltet werden sollen. Hierzu führt die in Deutschland zuständige Bundesnetzagentur (BNetzA) derzeit Workshops durch. Die Verordnung tritt bereits Ende des Monats in Kraft. Die nationalen Regulierungsbehörden haben noch bis zum 30. August Gelegenheit, ihre Vorschläge über den Zusammenschluss der EU-Regulierungsbehörden (BEREC) einzuspeisen.

An dieser Stelle dokumentieren wir meine Rede. Eine gute Zusammenfassung der gesamten Debatte findet sich nebenan bei netzpolitik.org.
 

 

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann es gar nicht oft genug sagen, und an dieser Stelle wurde es auch schon gesagt: Die Netzneutralität ist eine, vielleicht sogar die Schlüsselfrage der digitalen Welt, über die wir aus gutem Grund seit vielen Jahren im Hohen Haus diskutieren. Deswegen bin ich erst einmal grundsätzlich für den Antrag der Linken dankbar.

Vielleicht sollte man es den Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Tribüne noch einmal sagen, weil Netzneutralität ein etwas sperriger Begriff ist: Im Kern geht es um die Frage, ob wir alle gleichberechtigt ins Internet kommen oder ob es vom Portemonnaie abhängt, ob und wie man ins Internet kommt.

(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Das ist ja gerade falsch!)

– Das ist genau der Punkt. Herr Lämmel, immer wieder wurde deswegen von Ihnen versprochen, die Netzneu­tralität gesetzlich abzusichern. Der bisherige Laisser-faire-­Ansatz von Schwarz-Gelb war längst gescheitert. International hatte man das erkannt. Aus diesem Grund hat Präsident Obama sich persönlich für eine effektive gesetzliche Regelung eingesetzt. Und obwohl wir Sie in den letzten Jahren immer wieder mit etlichen Initiativen aufgefordert haben, die Netzneutralität effektiv abzusichern, obwohl die SPD noch vor kurzem, als sie in der Opposition war, entsprechende Anträge vorgelegt hat, die Netzneutralität gesetzlich abzusichern, und obwohl in Ihrem gemeinsamen Koalitionsvertrag drinsteht: „Netzneutralität sichern wir“, haben Sie eben genau das leider nicht getan, und das ist angesichts der Bedeutung der Netzneutralität für Demokratie und Innovation einfach viel zu wenig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie haben keine nationale Regelung vorgelegt und haben zugesehen, wie ein schlechter Kompromiss auf EU-Ebene verhandelt wurde. Er ermöglicht die Einführung von „Diensteklassen“ und Special Services und schließt auch hochumstrittene Praktiken wie das Zero Rating oder Surf-only-Verträge eben nicht aus.

(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Das müssen Sie mal erklären!)

Die SPD-Berichterstatterin sagte, der Kompromiss öffne dem Ausverkauf der Netzneutralität Tür und Tor, und recht hat die Frau. Sie haben grundlegende Prinzipien des Internets und wichtige Verbraucherrechte für die ohnehin schon megamächtigen TK-Anbieter aufgegeben und so einen entscheidenden Beitrag geleistet, damit der Abstand zwischen den marktmächtigen Anbietern und europäischen Start-ups noch größer wird. Das schädigt Start-up-Unternehmen in Europa. Erstere, die mächtigen Anbieter, werden sich über Lizenzmodelle und Zero-Rating-Verträge freikaufen. Alle anderen, unzählige kleine deutsche und europäische Unternehmen, trifft diese Fehl­entscheidung von Ihnen unglaublich hart.

Was man in netzpolitischen Kongressen, Agenden und Gipfeln mühsam versucht, vorn hochzupuzzeln, das reißen Sie hinten wieder ein. Marktkonzentration leistet man Vorschub. Das ist ein Themenfeld, um das sich jetzt neuerdings auch das BMWi kümmern will – endlich, muss man sagen. So wird das aber leider nichts, meine Damen und Herren.

Wir haben immer gewarnt, nicht abzuwarten, bis das Kind im Brunnen liegt. Nun liegt es da, und nun veranstaltet man Workshops, um auf nationaler Ebene noch irgendwie sicherzustellen, dass man den EU-Vorgaben gerecht wird und dass die Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit des Netzes und die Verbraucher irgendwie überschaubar bleiben. Die nationalen Behörden sollen bis zum August in einem Soft-Law-Verfahren konkrete Vorschläge hierzu erarbeiten, die dann über den Zusammenschluss der EU-Regulierungsbehörden an die Kommission weitergeleitet werden. Ob die Kommission dann diese Vorschläge aufnimmt, ist eine spannende, aber völlig offene Frage.

Herr Lämmel, deutlich wird durch dieses ganze Vorgehen, dass nichts gut ist. Es zeigt: Eine überfällige nationale Regelung über Jahre zu verweigern, zuzusehen, wie ein schlechter Kompromiss auf EU-Ebene verhandelt wird, der Missbrauch Tür und Tor öffnet, um dann zu hoffen, dass die Verbesserungen angenommen werden, all dies ist nicht nur mühsam, es wäre auch gänzlich überflüssig gewesen, wenn man die seit Jahren vorliegenden Vorschläge einer effektiven gesetzlichen Regelung auf nationaler Ebene aufgegriffen hätte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle explizit bei allen NGOs und Vertretern der Zivilgesellschaft, die jetzt darum kämpfen, dass das Kind aus dem Brunnen herauskommt. Sie alle arbeiten hart, wo Sie leider versagt haben. Ich sage Ihnen: Wenn es hier nicht gelingt, die Netzneutralität abzusichern und angesichts des schlechten Beschlusses, den es jetzt gibt, zurückzuerkämpfen, dann wird das eine weitere Kerbe im netzpolitischen Versagen dieser Bundesregierung sein.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)