Rechtes Ressentiment aus der Mitte der Gesellschaft

Escheburg bei Hamburg – eine kleine Vorortsiedlung mit gepflegten Eigenheime zwischen viel Grün. Ein frisch renoviertes Holzhaus, rostrot gestrichen, das an ein dänisches Ferienhaus erinnert. Auf den ersten Blick ein friedlicher, wohlgesetzter Ort in Deutschland. Am Mittag des 9. Februar 2015 wirft ein Nachbar einen Brandsatz in dieses Haus. Bevor sich die Flammen durch den Holzboden fressen können, kommt die Feuerwehr. Einen Tag später hätten hier sechs Flüchtlinge einziehen sollen.

Der Nachbar, ein Familienvater und Finanzbeamter, war zuvor mit anderen Anwohnern wutentbrannt zur Gemeindeverwaltung gegangen. Lauter Männer aus einem anderen Kulturkreis könne man doch nicht zwischen Kindergarten und Grundschule einziehen lassen. Frauen, Kinder und auch der Wert der eigenen Immobilien wären gefährdet. Die erregte Anwohnerschaft sei „wie eine Wand gewesen“ – aus Wut, Angst, Abwehr und Aggression, so die betroffene Verwaltungsbeamtin später.

Dieses schwere Hassverbrechen aus meinem Wahlkreis gehört zur tagtäglichen Serie von Übergriffen auf Unterkünfte, Geflüchtete und Willkommenshelfer. Es verdeutlicht vor allem eines: Um eine rechtsextreme Gewalttat zu begehen, muss man nicht in der NPD oder einer freien Kameradschaft sein oder einem geschlossenen nationalsozialistischen Weltbild anhängen. Immer mehr Täter waren keineswegs einschlägig verortet. Vielmehr reichten offensichtlich rassistische Angst- und Hassgefühle – gegen „die Anderen“ und „die da oben“. Und ein zumindest latent bestärkendes Umfeld, in dem eigentlich selbstverständliche ethische Grundregeln auf einmal nicht mehr zählen; von der Akzeptanz staatlichen Handelns in einer Demokratie und der Achtung der Menschenwürde ganz zu schweigen.

Wenn rechte Einstellungen so weit wie wirkmächtig bis in die Mitte unserer Gesellschaft verbreitet sind, wird erst verständlich, welche riskante Dynamik rechtspopulistische Parteien und Bewegungen wie AfD und Pegida entfachen. Sie geben den Ressentiments einen Bestätigungsraum und verstärken sie vielfach. Nach erfolgreichen Wahlen stehen ihnen heute die zuvor geschmähte parlamentarische Bühne und Fraktionsmittel offen. So können von Rechtsaußen aus zumindest taktisch disziplinierte Parteien (deswegen aber keineswegs gemäßigte) mehrheitsfähig werden, wie Marine Le Pen in Frankreich oder der jüngste FPÖ-Erfolg bei den österreichischen Präsidentenwahlen zeigen.

In Deutschland ist der Einzug der AfD in mehrere Landtage zu befürchten: Hier versammelt sich neben Demagogen wie Petry und Höcke ein obskures Politpersonal, das seine chronischen Querelen in aller Öffentlichkeit austrägt, sei es im Bund, in Schleswig-Holstein oder in den Kreisen wie bei mir im Herzogtum Lauenburg. Geschichtsklitternde Vorträge, antisemitische Karikaturen im Stürmer-Stil, stumpfeste „Ausländer sind kriminell“-Kampagnen, wohin man nur schaut. Trotz dieses oftmals offen ans Tageslicht kommenden faschistoiden Gedankenguts steht die AfD in Umfragen gut da.

Ihre jüngsten Erfolge sind auch das Resultat einer ausbleibenden, entschlossenen Abgrenzung durch die Große Koalition. Viel zu lang hat man Verständnis für „besorgte Bürger“, die längst von Rechtsextremen unterwandert waren, gezeigt und die harte demokratische Auseinandersetzung mit der AfD und ihrer Propaganda gescheut. Teile der GroKo haben dabei geholfen, rechtspopulistische Positionen wieder hoffähig zu machen. Gerade angesichts einer zunehmenden europäischen Vernetzung wird es in den nächsten Monaten an uns Grünen liegen, klarzumachen, dass die Alternative für Deutschland keine ist – zumindest nicht für Demokratinnen und Demokraten.

Der dreisten Demagogie, mit der unter anderem die ebenso absurde wie menschenverachtende Pseudo-Debatte um Grenzschüsse auf Flüchtende provoziert wurde, müssen wir uns mit aller Entschlossenheit entgegenstellen. Klar und engagiert, aber auch kühl und sachlich müssen wir das zynische Kalkül solcher Instrumentalisierungen entlarven und deutlich machen: Ob Krisen und Kriege, Flucht und Asyl, Euro und die EU, Digitalisierung und Globalisierung, auf keine dieser dringlichen Fragen haben Rechtspopulisten auch nur irgendeine wirkliche, durchtragende Antwort parat. Wir werden in Zukunft noch öfter und genauer erklären müssen, welche Herausforderungen und Probleme in unserer Gesellschaft vorhanden sind – und wo Sorgen und Ängste aufgebauscht und instrumentalisiert werden. Dabei ist immer wieder klarzumachen: Unser Grundgesetz gilt für alle und wir werden es entschlossen gegen die Feinde der Demokratie verteidigen.

Gerade jetzt müssen wir als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen. Die Krisen im Innern wie im Äußeren Europas können wir nur gemeinsam meistern. Eine weitere Abschottung, das Errichten neuer Zäune und Mauern, die Verweigerung von Solidarität mit Geflüchteten und allein nationalstaatlich verfolgte, vermeintlich einfache Lösungen und Alleingänge führen in die Sackgasse. Das gilt es in den nächsten Monaten klarzumachen und dieser Herausforderung werden wir uns als Grüne in Schleswig-Holstein gemeinsam stellen!

Hier findet Ihr den von mir initiierten und vom jüngsten Landesparteitag der schleswig-holsteinischen Grünen angenommenen Antrag „Unseren Rechtsstaat gegen die Angriffe auf Freiheit und Demokratie verteidigen“: sh-gruene-partei.de/thema/medien-und-netzpolitik/unseren-rechtsstaat-gegen-die-angriffe-auf-freiheit-und-demokratie-vert.