Drei Jahre nach den Enthüllungen über die schlichtweg verfassungswidrige Massenüberwachung verschiedener Geheimdienste hat die Große Koalition noch immer nicht die Zeichen der Zeit für unseren Rechtsstaat in einer zusehends digitalisierten Welt erkannt. Ganz im Gegenteil: Die jüngsten Schritte der Großen Koalition beim neuen „Anti-Terror“-Paket, beim BND-Gesetz und beim Gesetzentwurf zur parlamentarischen Kontrolle gehen in eine völlig falsche, weil ebenso verfassungswidrige wie sicherheitspolitisch kontraproduktive Richtung: Die parlamentarische Kontrolle der Dienste wird weiter ausgehöhlt, ihr verfassungswidriges Handeln sogar noch legalisiert.

Seit nunmehr rund zwei Jahren klärt der Deutsche Bundestag in einem Untersuchungsausschuss die Snwoden-Enthüllungen auf. Die Bundesregierung behindert die Arbeit des Parlaments bis heute massiv. Dennoch gelang es uns nachzuweisen, dass auch deutsche Nachrichtendienste aktiver Teil in einem weltumfassenden Überwachungssystem sind. Deutlich wurde, wie bigott und irreführend die Haltung der angeblich von den Enthüllungen überraschten Regierung Merkel im Bundestagswahlkampf 2013 war. Inzwischen ist bewiesen, dass auch der BND Freunde und Partner in EU- und NATO-Staaten sowie zahlreiche Unternehmen jahrelang systematisch ausgespäht hat.

Deutlich wurde auch, dass die Bundesregierung bei ihrer Rechts- und Fachaufsicht nicht nur kläglich versagte, sondern dass das Kanzleramt klar rechtswidrige Praktiken des BND über Jahre laufen ließ. Statt für die notwendigen rechtlichen Anpassungen zu sorgen und der Massenüberwachung einen Riegel vorzuschieben, stellte man „Freibriefe“ aus und beförderte auf diese Weise verfassungswidrige Kooperationen mit britischen und US-Diensten auf Kosten des Grundrechtsschutzes der Bürgerinnen und Bürger.

Öffentlich versprach die Regierung danach umfassende Aufklärung, rechtsstaatliche Konsequenzen sowie deutlich eingehegte und kontrollierte Dienste durch Kanzleramt und Parlament. Nun möchte offenbar die Große Koalition die verfassungswidrigen Praktiken des BND im Nachhinein legalisieren, um sich gewissermaßen selbst im Nachhinein ein Unbedenklichkeitszeugnis auszustellen. Ganze Bereiche sensibelster Geheimdienstarbeit wären damit vor Parlamentarischer Kontrolle gefeit.

Als Opposition werden wir weiterhin mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln in dieser Kernfrage der Rechtsstaatlichkeit für eine freie digitale Gesellschaft streiten und notfalls die Vorhaben vor dem Bundesverfassungsgericht beklagen.

Eine spannende ARTE-Dokumentation mit umfassenden Online-Infos gibt gute Einblicke in die Schattenwelt der Geheimdienste“. Unter anderem wurde auch die Arbeit von mir und meinem Team begleitet und anschaulich verdeutlicht, auf welchen vielfältigen Wegen unsere alltägliche Arbeit im Untersuchungsausschuss durch die Bundesregierung erschwert wird. 

Hier findet Ihr meine Bundestagsrede zum BND-Gesetz vom 8. Juli (184. Sitzung, Zusatzpunkt 10) anschauen: von-notz.de/2016/07/08/bnd-gebahren-offenkundig-rechtswidrig/

Hier findet Ihr meine Bundestagsrede zum Anti-Terror-Paket vom 24. Juni (180. Sitzung TOP 14): von-notz.de/2016/06/28/quantitativ-ist-die-koalition-gross-qualitativ-klitzeklein/

Hier findet Ihr einen Artikel, in dem ich einmal grundlegend auf das Missverhältnis bei der großkoalitionären Aufrüstung der Sicherheitsbehörden (zuletzt im Kontext der geplanten Schaffung einer neuen Bundesbehörde zum Knacken von Kryptographgie) und dem bewussten Kleinhalten der Datenschutzaufsichtsbehörden eingehe: welt.de/print/die_welt/politik/article156920376/Das-erste-Opfer-ist-der-Datenschutz.html.