Seien es Robotik und Automatisierung in der Arbeitswelt, künstliche Intelligenz in der medialen Öffentlichkeit oder autonome Systeme in der Mobilität: Die Digitalisierung hat längst alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst. Wie können wir sie nach gemeinsamen ethischen Prinzipien politisch gestalten und ihre Potenziale ausschöpfen – ohne dabei Herausforderungen und Missstände zu negieren? Unter dieser Leitfrage diskutierte der 3. Netzpolitische Kongress der grünen Bundestagsfraktion am 28. Oktober 2016 im Deutschen Bundestag mit über 400 Gästen in zwölf Workshops und zahlreichen Debatten auf großer Bühne.

Digitalisierung gestalten

So appellierte der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter an die Gäste, die Digitalisierung aller Lebensbereiche nicht einfach über sich ergehen zu lassen. Auch wenn die Bundesregierung seit Jahren eine übergeordnete Strategie und eine funktionierende Koordination in der Netzpolitik vermissen ließe, sei es eine der größten gesellschaftlichen und politischen Aufgaben des 21. Jahrhunderts, den technischen Fortschritt aktiv zu gestalten. Auch die Betreiber von Plattformen seien hier in der Verantwortung und dürften nicht weitestgehend tatenlos dem immer maßloseren Hass im Netz zuschauen. Genauso sah dies Sascha Lobo, der in seinem Grußwort fünf drängende Handlungsfelder ausmachte:

  • Das Fundament für die Digitalisierung sei die Infrastruktur. Beim Glasfaserausbau hänge Deutschland, genau wie beim Thema E-Government, im internationalen Vergleich beängstigend zurück.
  • Das Grundprinzip eines demokratischen und innovationsfreundlichen Netzes sei die Netzneutralität, die unbedingt zu schützen sei.
  • Sowohl bei der Zukunft der Arbeit
  • …als auch bei der sich entfaltenden Plattformökonomie stünden wir erst am Anfang.
  • Die Debattenkultur im Netz zu pflegen und dem aufkeimenden Hass im Netz demokratisch entgegenzutreten, sei wiederum die drängendste Aufgabe.

In einem starken Appel rief Kübra Gümüşay in ihrem Lightning Talk ebenfalls zu mehr Mut zu wohlwollendem Streit auf, über den die konstruktive Debatte im Netz zurückzugewinnen sei.

Moral nicht an Maschinen outsourcen

In ihrer Keynote fragte sich die Vertreterin der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation, Jillian York, welches Menschenbild bei der technologischen Entwicklung angelegt wird. Technische Entwicklungen seien immer Ausdruck der gesellschaftlich dominanten Normen. Da die Algorithmisierung tief in alle Lebensbereiche hineinwirke, müsse transparent und überprüfbar sein, wer welchen Code wie einsetzt. So dürften wir uns nicht von der Idee leiten lassen, dass gesellschaftliche Probleme per se technisch zu lösen seien. Jillian York sprach sich für das Grundprinzip aus, moralische Entscheidungen niemals an Maschinen zu delegieren und dies gesetzlich klarzustellen.

Transparenz und Kontrolle von Algorithmen

Eingestimmt durch eine sehr vergnügliche Lesung von Volker Strübing über die kleinen und großen Herausforderungen hart an der Kante von Analog und Digital verfolgten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die weiteren Vorträge. Prof. Eric Hilgendorf legte anhand eindrucksvoller Beispiele selbstfahrender Autos dar, auf welchen ethischen Fundamenten rechtliche Entscheidungen über Leben und Tod bei automatisierten Systemen fußen müsstenMatthias Spielkamp stellte ein Projekt vor, mit dem Nutzerinnen und Nutzer Transparenz und Kontrolle über Algorithmen (zurück)gewinnen können. Google-Vicepresident Niclas Lundblad und Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Club stritten kontrovers aber fair darüber, wie Plattformanbieter dazu gebracht werden können, über die Verfahren und Methoden ihrer Software Auskunft zu geben.

Die Rolle des Staates im Digitalen

Die Verhältnismäßigkeit von staatlichen Überwachungsmaßnahmen, Verschlüsselungsmechanismen und die Freiheit im Netz, kurz die Rolle des Staates im Digitalen waren Thema der Debatte von Konstantin von Notz, Fraktionsvize und netzpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion mit Klaus Vitt, dem Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik. Konstantin von Notz betonte, dass weder das neue BND-Gesetz, das verfassungsrechtlich hochbedenkliche Praktiken schlicht legalisieren soll, noch der Aufbau einer Bundesbehörde zur Umgehung von Verschlüsselungstechnologien dem staatlichen Auftrag entsprächen oder gar dienten, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen und ihr Recht ihre informationelle Selbstbestimmung auszubauen. Vielmehr entstünde so nur weitere Verunsicherung, die Gift sei – sowohl für innovative IT-Dienstleistungen als auch für die Kommunikation im Digitalen.

Abschließend dankte Konstantin von Notz allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für einen erfolgreichen und spannenden Kongress mit guten Diskussionen. Die Debatte um ethische Prinzipien der Gestaltung der Digitalisierung geht weiter.

 

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